Nachhaltigkeit auf UN-Vollversammlung: Agenda 2030 weit vom Kurs ab

Kein Hunger, keine Armut, ökologische Grenzen respektieren: 17 Ziele wollen die UN in 7 Jahren erreicht haben. Bilanz bislang? Eher schlecht.

Menschen beobachten Leuchtbild der Erde am Himmel mit Schriftzug "amazon burns"

Ohne den Schutz des Amazonas-Regenwalds sind die Klimaziele kaum erreichbar: Protest in New York Foto: Eduardo Munoz/reuters

NEW YORK taz | In dieser Woche treffen sich in New York die weltweiten Größen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Rahmen der alljährlichen UN-Vollversammlung. Diesmal stehen die Themen Nachhaltigkeit und Klima zwar ganz oben auf der Agenda. In der aktuellen geopolitischen Lage dürfte es allerdings trotz anhaltender Katastrophen wie aktuell in Libyen oder Marokko schwer werden, bei diesen Themen einen gemeinsamen Lösungsweg zu finden.

Den Anfang macht die Halbzeitkonferenz zu den von den Vereinten Nationen verabschiedeten nachhaltigen Entwicklungszielen für das Jahr 2030. Diese insgesamt 17 Ziele – darunter die Bekämpfung von Armut und Hunger, der Zugang zu hochwertiger Schulbildung sowie mehr Klimaschutz – wurden 2015 von den UN-Mitgliedsländern verabschiedet.

In diesem Jahr soll nun eine Halbzeitbilanz gezogen werden. Und diese wird, wie Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze während einer Pressekonferenz vergangene Woche bereits erklärte, ernüchternd ausfallen.

„Die Halbzeitbilanz der Agenda 2030 ist besorgniserregend. Wenn die Welt so weitermacht, werden 2030 immer noch mehr als 500 Millionen Menschen in extremer Armut leben. Beim aktuellen Tempo sind die 17 Ziele nicht zu erreichen, weder in Deutschland noch in irgendeinem anderen Land“, sagte Schulze am Freitag vor ihrer Reise in die USA. Wie besorgniserregend die globale Situation ist, veranschaulichte der zuletzt im Juni veröffentlichte Statusbericht. In dem Bericht wird sogar bei 30 Prozent der Ziele ein Stillstand oder Rückschritt attestiert.

„Grabinschrift für Welt“

„Wenn wir jetzt nicht handeln, dann wird aus der Agenda 2030 eine Grabinschrift für eine Welt, die hätte sein können“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres. Vor allem die anhaltenden Auswirkungen der Coronapandemie haben wie so vieles in der Welt auch die UN-Nachhaltigkeitsziele aus der Bahn geworfen.

Neben der Pandemie sind es jedoch auch Konflikte wie der Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen des Klimawandels, die viele Ressourcen – sowohl finanziell als auch gesellschaftlich – für sich beanspruchen. Die Leidtragenden dieser globalen Fehlentwicklung sind vor allem die Entwicklungsländer sowie die ärmsten und gefährdetsten Bevölkerungsschichten. Es geht in diesem Jahr daher vor allem darum, die vor acht Jahren gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu bestätigen und deren Implementierung auf internationaler und nationaler Ebene zu beschleunigen.

„Ich habe in dieser schwierigen geopolitischen Lage nicht die Erwartung, dass die Welt nach dem Gipfel in New York nächste Woche eine andere ist als heute. Wenn es uns in New York gelänge, die 17 Ziele als gemeinsames Leitbild zu bestätigen und eine Aufholjagd zu vereinbaren, wäre das ein wichtiger Erfolg“, so Schulze.

Deutschland will Vorreiter sein

Neben Schulze werden auch Bundeskanzler Olaf Scholz sowie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock während der UN-Vollversammlung in New York anwesend sein. Deutschland will in der Entwicklungspolitik eine Vorreiterrolle einnehmen und die multilaterale Zusammenarbeit in diesem Aspekt stärken. Dies geht aus einer neuen Strategie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hervor.

„Wir brauchen aber Zusammenarbeit, um Frieden zu sichern und globale Probleme wie den Klimawandel zu bewältigen“, sagte Schulze. Wie ernst das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz auch für viele Menschen in den USA mittlerweile ist, zeigte ein groß angelegter Klimaprotest am Sonntag.

Laut Organisatoren zogen knapp 75.000 Menschen beim „March to End Fossil Fuel“ durch die Häuserschluchten von Manhattan. Die Teilnehmer fordern von US-Präsident Joe Biden und dessen Regierung einen sofortigen Stopp von Öl- und Erdgasprojekten sowie die Ausrufung eines Klimanotstands.

Biden soll ein Anführer sein

„Zehntausende Menschen aus allen Bevölkerungsschichten sind heute hier, um eine einfache Nachricht an Präsident Biden zu senden: Sei an Anführer und hilf, diesen Planeten zu retten. Keine fossilen Brennstoffe mehr. Uns läuft die Zeit davon“, sagte Emily Wurth von der Organisation Food & Water Watch.

Die Biden-Regierung hat in den vergangenen Jahren einige wegweisende Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels eingeleitet, doch für viele ist das nicht genug. Neue Projekte zur Öl- und Gasgewinnung sind Klimaschützern ein Dorn im Auge. Ein neuer „Climate Ambition Summit“, der am Mittwoch am Rande der UN-Vollversammlung abgehalten werden soll, wird Menschen, Regierungen und Organisationen hervorheben, die in Sachen Klimaschutz eine Führungsrolle eingenommen haben.

Trotz dieses besonderen Augenmerks auf die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden konkrete Maßnahmen während der UN-Vollversammlung allerdings auch in diesem Jahr nicht erwartet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.