Bahnstrecke Hamburg – Hannover: Für die Verkehrswende katastrophal

Zwischen Hamburg und Hannover soll keine neue Bahnstrecke gebaut werden. Dass sich die die Neubau-Gegner:innen durchgesetzt haben, ist ein Debakel.

Zwei rot-gelbe Kreuze stehen auf einer Wiese

Not in my backyard: Protest gegen den Trassenbau zwischen Hamburg und Hannover Foto: Jonas Walzberg/dpa

Ein paar ganz gute Argumente der nun jubelnden niedersächsischen Neubau-Gegner:innen gibt es durchaus: Eine zweite zusätzliche Bahntrasse zwischen Hamburg und Hannover nur für ein paar Minuten gewonnene Zeit klingt wirklich etwas mickrig. Die Fläche der durch einen Neubau zerstörten Natur ist auf diese Distanz – Luftlinie 133 Kilometer – schon enorm, wie vor allem der Umweltverband Nabu anführt.

Und dass der Ausbau des Bahnverkehrs nicht ausschließlich darauf fokussiert sein sollte, superschnelle ICE-Strecken zu schaffen, stimmt absolut – da hat die Denkfabrik Bürgerbahn vollkommen recht. Der Regionalverkehr und die bestehenden Strecken können auch elementar dazu beitragen, dass es mit dem Deutschland-Takt eines Tages klappt. Dennoch: Dass sich die Neubau-Gegner:innen samt ihrer Not-In-My-Backyard-Fraktion durchgesetzt haben, ist katastrophal für die Verkehrswende.

Was tummelt sich nicht alles schon jetzt auf der bestehenden Strecke: Da sind zunächst die Schnellzüge von/nach Basel, München, Stuttgart oder Karlsruhe, die damit die bundesweite Nord-Süd-Achse bilden. Hinzu kommen die Regionalbahnen, die einerseits eine günstige Alternative zwischen Hamburg und Hannover darstellen, die aber auch das Pendeln vom Umland in die beiden Großstädte ermöglichen.

Und dann der Güterverkehr: Was im Hamburger Hafen auf dem Schiff ankommt und auf den Güterzug geworfen wird, geht schon jetzt vor allem auf dieser Strecke gen Süden.

Wutbürgerlicher Protest der An­woh­ne­r:in­nen

Und das soll ja noch stark zunehmen, um endlich wegzukommen vom Straßenverkehr: Wir reden hier von einer Verdopplung der Verkehrsleistung im Personenverkehr und der Steigerung des Marktanteils im Güterverkehr von 19 auf 25 Prozent, wie der Fahrgastverband Pro Bahn betont. Heißt etwa konkret: Nicht mehr zwei bis drei Fernzüge pro Stunde und Richtung sollen hier bald fahren, sondern vier bis fünf.

Hinzu warten die Regionalbahnen schon jetzt ständig, um die anderen Züge überholen zu lassen. Und dieser ganze Verkehr, ökologisch um ein vielfaches sinnvoller als der Straßenverkehr, soll sich weiter auf dieser einen Strecke fortbewegen, die ab Ende des Jahrzehnts ein bisschen saniert und ein ganz klein bisschen erweitert werden soll? Ernsthaft?

Hinzu kommt noch, dass eine zweite Trasse, die entlang der Autobahn führen würde, das Argument der Naturzerstörung und der vom Nabu angeführten „Zerschneidung der Landschaft“ ziemlich entkräftet. Und diese wichtige Bahnverbindung ist ohnehin schon durch viele Faktoren störanfällig. Da würde eine zweite Trasse zu für mehr Resilienz sorgen.

Richtig ärgerlich ist, dass sich nun die wutbürgerliche Fraktion der Anwohner:innen-­Initiativen durchgesetzt hat. Mit Argumenten, die über Partikularinteressen hinausgehen, kamen die nicht um die Ecke. Dafür aber hatten sie einen einflussreichen Fürsprecher: SPD-Chef Lars Klingbeil hat schließlich seinen Wahlkreis in der Heide und somit an einer möglichen Neubaustrecke. Und wenn da ein paar Un­ter­neh­me­r:in­nen aus dem Industriegebiet an der Autobahn aufheulen, weil sie zugunsten der Bahnstrecke umziehen müssten, konnten immerhin die sich auf Klingbeil verlassen.

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Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.

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