Streit um Kleidervorschriften an Schulen: Lieber mündige Individuen

Der Bundeselternrat fordert angemessene Kleidung an Schulen. Die AfD dürfte begeistert sein. Besser wäre es, mal die Jugendlichen selbst zu fragen.

bauchfreies Shirt und zerrissene Hose

Demnächst verboten? Foto: Ute Grabowsky/Photothek/imago

Wie sich jemand in bestimmten Situationen kleidet, kann eine hochpolitische Angelegenheit sein. Das gilt auch für die Frage, ob Kinder in der Schule hierzulande anziehen dürfen, was sie wollen – oder eben nicht. Die Vorsitzende des Bundeselternrats, des Gremiums, das die Belange der gesamten Elternschaft in Deutschland vertreten soll, hat nun Folgendes gesagt: Sie empfehle Schulen, „einen Konsens über eine Kleiderordnung zu schließen“. Das Ziel: „unangemessene, lottrige, zerrissene oder freizügige Kleidung“ von den Schulhöfen zu eliminieren.

„Lottrig“, das Markieren einer vermeintlichen Normabweichung: Wer so redet, nutzt – ob beabsichtigt oder nicht – rechtes Vokabular. Die AfD dürfte über den Vorschlag begeistert sein. Auf X, vormals Twitter, freuen sich die rechten Kommentator*innen. Zumal die Elternvorsitzende auch noch schrieb: Gerade Mütter würden sich morgens freuen, wenn Diskussionen mit den Kindern ausblieben. Also noch eine Schippe Antifeminismus obendrauf gepackt.

Der Verband Bildung und Erziehung sah denn auch einen Eingriff in das „Selbstbestimmungsrecht“ von Kindern und Eltern. Der Deutsche Lehrerverband erinnerte an die jüngere deutsche Geschichte: Freiheit und Mündigkeit des Individuums seien in diesem Land nicht umsonst besonders zu schützende Werte.

Damit ist eigentlich auch alles gesagt. Die Halbwertszeit der aufgeregt geführten Diskussionen bei diesen Themen ist erfahrungsgemäß kurz. Und es gibt ganz sicher drängendere bildungspolitische Probleme, über die man eigentlich reden muss.

Wenn demnächst doch mal wieder jemand nach Kleiderordnung in den Schulen ruft: Es gibt durchaus Argumente, die man ernsthaft abwägen kann. Nimmt man durch Einheitskleidung oder gar eine Schuluniform den sozialen Druck raus für Kinder, deren Eltern nicht so viel verdienen, die sich die neuesten Adidas-Sneaker vielleicht nicht leisten können?

Aber: Wen man bei der ganzen Diskussion eigentlich zuerst fragen könnte: die Kinder und Jugendlichen selbst, sie sollen schließlich mündige Bürger werden.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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