Christian Jakob über die EU-Krisenverordnung
: Vom Grundrecht zur Ausnahme

Vieles von dem, was in den vergangenen Jahren als Verschärfung des Asylrechts vorgedacht wurde, greift so tief in die Grundrechte ein, dass es zunächst nur als Ausnahme daherkam. Zum Beispiel die geplanten Schnellverfahren an den Außengrenzen: Ausnahmsweise nur für die, die sowieso kaum Aussicht auf Anerkennung haben. Oder die eingeschränkten Rechtsmittel. Die eingeschränkte Versorgung. Oder die längere Internierung. Ausnahmsweise, wenn dieses oder jenes es gerade erfordert.

Aber das reicht vielen nicht mehr. Der Druck in der derzeit wieder aufgeheizten Migrationsfrage ist groß. Und so geht es nun weiter: Die Krisen-Verordnung, auf die sich der EU-Rat am Mittwoch einigte, ist dazu da, die Ausnahmen auszuweiten. Und von Beginn an stand die Befürchtung im Raum, dass diese Ausweitung so weit geht, dass am Ende alles zur Regel wird: Knast, Schnellverfahren, abgesenkte Aufnahmestandards.

Auch wenn die Ampel es anders darstellt: Die Möglichkeiten, einen „Krisenfall“ auszurufen und so die durch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ohnehin geplanten Einschränkungen der Flüchtlingsrechte weiter zu verschärfen, sind weit gefasst. Das bloße Ankommen der Unerwünschten wird so schon bald oft als „Krise“ gelten, der mit den Mitteln des Notstands begegnet werden darf. Das „normale“ Recht für Schutzsuchende, ohnehin erodiert, wird, umgekehrt, nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.

Deutschland hat dem zugestimmt. Die grüne Fraktionsspitze „begrüßt“, dass es im Flüchtlingsknast nun auch Schulbücher und Ärz­t:in­nen geben soll – dass dies vorher offensichtlich anders geplant war, sagt schon alles. Die grüne Basis wirft ihrer Parteispitze „Ignoranz“ und „Falschbehauptungen, um uns intern ruhigzustellen“ vor. Sie klagt über die „Beerdigung ihrer humanitären Grundsätze“ und einen „historischen Fehler“.

Ändern wird es nichts mehr: Die Verhandlungen von Rat, Parlament und Kommission werden nun beginnen, und Deutschland zieht mit.

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