„Last Exit Schinkenstraße“ bei Amazon: Letzte Schangs Mallorca

Zwei schlechte Blasmusiker machen auf dem Ballermann Karriere. Zum Glück stammen die Songtexte von Heinz Strunk. Der kann Partyschlager!

Ein Mann steht auf einer Bühne und sing in ein Mikro davor recken Menschen die Hände in die Luft. Im hintergrund ein Vorhang und leuchtende Deko, unter anderem ein Herz und darüber Emojis.

„Man soll nicht lecken, bevor es tropft“, Pierre Panade Foto: Pep Bonet/Prime

Gerade hat auf RTL die zweite Staffel der Mallorca-Saga „Der König von Palma“ wieder ziemlich dick aufgetragen – da legt nun Amazon Prime mit dem genau gegenteiligen Konzept nach. Die in sechs knapp zwanzig- bis knapp dreißigminütigen Episoden erzählte … Nein, von einer Erzählung kann man hier – ganz ehrlich gesagt – wirklich nicht sprechen. Denn den zugrunde liegenden Plot dünn zu nennen, wäre eine Untertreibung.

Der ist in einem Satz … erzählt: Zwei in der hintersten deutschen Provinz über die Betriebsfeste tingelnde Blasmusiker sind selbst dabei so sagenhaft schlecht, dass sie die besten Voraussetzungen mitbringen, das Niveau der Partyschlager-Szene am Ballermann noch zu unterbieten, in anderen Worten: dort und nur dort ganz groß rauszukommen.

Und weil einer der beiden Musiker nicht nur von Mathias Halfpape, besser bekannt als Heinz Strunk, gespielt wird, sondern der auch für das, nun ja, Drehbuch und vor allem sämtliche Songtexte verantwortlich zeichnet, kann das natürlich nur gutgehen. Weil man sich diesen Tausendsassa Heinz Strunk offenbar als künstlerischen Gustav Gans vorstellen muss, dem vom Roman („Fleisch ist mein Gemüse“, „Der goldene Handschuh“) bis zum Hörspiel und Podcast, vom Telefonstreich (mit Studio Braun) bis zur Mockumentary („Fraktus“) alles gelingt. Na gut, seine Beteiligung an einem Restaurant im Hamburger Schanzenviertel soll ihn einmal viel Geld gekostet haben – aber ein finanzielles Investment ist ja auch kein künstlerisches Genre.

10 nackte Friseusen

Anders als der sogenannte Partyschlager, dessen anerkannte Meisterwerke „Dicht im Flieger“ heißen oder „Geh mal Bier hol’n“. Sie werden in der Serie angespielt, damit auch der weniger genreaffine Zuschauer versteht, worum es geht. Und dass Heinz Strunk sich mit Werken à la „Breit in 100 Sekunden“ auf Augenhöhe mit Großkünstlern wie Mickie Krause befindet. Der hatte seinen Durchbruch mit „10 nackte Friseusen“. Text: „Ich will 10 nackte Friseusen / 10 nackte Friseusen, oh-oh / 10 nackte Friseusen / Mit richtig feuchten … Haaren“.

Die Haare reimen sich nicht auf Friseusen, das Publikum muss sie innerlich durch das offensichtliche Reimwort ersetzen. Literarisch handelt es sich um die hohe Kunst des Vexierreims. Heinz Strunk gelingt es formal wie inhaltlich, an solche Vorbilder anzuknüpfen: „Man soll nicht lecken, bevor es tropft / Du sollst dich öffnen, bevor es klopft / Du sollst nicht schlucken, bevor es spritzt“.

„Last Exit Schinkenstraße“, sechs Episoden, Amazon Prime

Singt also der von Strunk verkörperte Musiker Peter Voss unter seinem Ballermann-Synonym Pierre Panade. Dessen Fabulierkunst kennt keine Grenzen, ständig hat er für seinen etwas weniger von der Muse geküssten Buddy Torben Bruhn auch noch eine Sentenz parat: „Stark ist, wer mehr Träume hat, als die Realität zerstören kann.“ Oder: „Eine Vision ohne Aktion ist nur eine Illusion. Mallorca is unsere Schangs!“

Buddy-Netz

Apropos „Buddy“: Wenn man sich den Cast so anschaut, fällt auf: lauter Buddies. Die Schauspielerin Katharina Wackernagel, Torbens Flirt auf Mallorca, die einzige ernst zu nehmende Rolle in der ganzen Serie, ist die Schwester von Regisseur Jonas Grosch. Der hat mit Charly Hübner, der den Bandleader in der Betriebsfestkapelle (größter Hit: „Alarmstufe Rahmstufe“) gibt, eben erst „Legend of Wacken“ gedreht, als Schauspieler, während Hübner seinerseits die Hauptrolle in seinem ebenfalls gerade erst veröffentlichtem Langspielfilm-Debüt als Regisseur mit Marc Hosemann besetzt hat, der jetzt wiederum den Torben in der „Schinkenstraße“ spielt.

Den Buddy an der Seite von Heinz Strunk, der mit Olli Schulz, hier so eine Art schlecht gelauntes Faktotum in der Partyschlager-Diskothek, auch schon mal einen TV-Jahresrückblick für den NDR bestritten hat, jenem Schulz, der etwa auch in einer Folge von „Der Tatortreiniger“ zu sehen war, der Serie mit Bjarne Mädel, der hier als von Katharina Wackernagel verlassener Ehemann mit von der Partie ist.

Und dass Rocko Schamoni einer der ältesten Mitstreiter von Heinz Strunk schon aus den Tagen des Telefonstreich-Trios Studio Braun ist, bedarf vermutlich keiner Erwähnung. Eher schon die unter diesen Umständen geradezu überraschende Abwesenheit des dritten Studio-Braun-Mitglieds Jacques Palminger. Spart Strunk sich den etwa für eine zweite Staffel auf?

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