Öffentliches Armutszeugnis

WERTE Welche Kultur? Zwischen Stadtmusikanten-Preis und Marcks-Haus-Abschied

Undotierte Preise sind eine feine Sache: Sie kosten nicht viel und ermöglichen Publicity. Wer erinnert sich nicht an Lothar Pohlmann, der sich mit seinem Verein „Freizeit 2000“ immer neue „Gratis-Auszeichnungen“ mit tollen Titeln wie „Till-Eulenspiegel-Preis“ ausdachte, mehr oder weniger prominente Preis-Annehmer fand und somit regelmäßig Bremen-Meldungen in den Randspalten überregionaler Zeitungen generierte?

Was Pohlmann jahrelang ehrenamtlich betrieb, hat sich jetzt ein mächtiges Lokal-Konsortium aus Weser-Kurier, Fremdenverkehrsverein und Theater Bremen zu eigen gemacht: die Vergabe eines „Stadtmusikanten-Preises“, der ab sofort nicht nur jährlich, sondern sogar jeweils vierfach verliehen wird. So am Mittwoch an Armin Mueller-Stahl (Kategorie Kultur), Loriot (in „Medien“), Werder Bremen (Stadtmarketing) sowie Henning Scherf und Brigitte Boehme für ihre Kirchentagsinitiative.

Dabei muss man den Auszeichnungs-Machern eine historische, wenn vermutlich auch zufällige Punktlandung zugestehen: Sie lancierten ihren Preis exakt 190 Jahre nach der Erstveröffentlichung des entsprechenden Märchens durch die Gebrüder Grimm.

Eine Stunde vor der Verleihung am Goetheplatz wurde nebenan im Marcks-Haus dessen Direktor Jürgen Fitschen verabschiedet - gegensätzlicher hätten zwei Kulturveranstaltungen kaum sein können. Hier das kleine Museum, überfüllt mit an die 300 BremerInnen, die sich offensichtlich sehr für die wenig event-hafte Bildhauerkunst interessieren – dort ein Roter-Teppich-Alarm vor leeren Rängen, dem sich jedoch die gesamte kulturpolitische Prominenz der Stadt verpflichtet fühlte.

Die Würdigung von Fitschens zehnjährigem, sehr erfolgreichem Engagement für das Marcks-Haus – dessen Patron ja immerhin als Schöpfer der Stadtmusikanten-Statue am Rathaus bekannt sein könnte – blieb infolgedessen der Marcks-Stiftung, den Museums-Mitarbeitern sowie Vertretern des Landes Schleswig-Holstein vorbehalten. Dorthin wechselt Fitschen als Chef der Landesmuseen Schloss Gottorf.

HENNING BLEYL