Immigrationsgesetz in Frankreich: Verschärfung wird zur Manie

Der Senat in Frankreich debattiert über ein Immigrationsgesetz, das Abschiebungen von Terrorverdächtigen erleichtern soll – ein politischer Test.

Menschen halten Plakate in die Höhe

„Darmanin tat, wovon Le Pen geträumt hat“: Demonstranten vor dem Senat in Paris Foto: Claudia Greco/ruters

PARIS taz | Nur zu wenigen Themen revidiert der französische Staat seine Gesetzgebung so oft wie in den Bereichen Asyl und Immigration. Mit der Vorlage, die Innenminister Gérald Darmanin dem Senat am Montag und später am 11. Dezember den Abgeordneten der Nationalversammlung unterbreitet, ist die 30. Revision seit 1980 geplant. Sie widerspiegelt vor allem, wie stark der politische, und namentlich fremdenfeindliche, Druck auf die jeweiligen Regierungen ist.

Für Darmanin war der Anlass unter anderem das kürzliche Attentat in Arras, wo ein Lehrer von einem Islamisten aus dem Kaukasus erstochen wurde. Da dieser mit seiner Familie vor seinem 13. Altersjahr eingereist war und in Frankreich aufgewachsen ist, sei es den Behörden nicht möglich gewesen, diesen jungen Mann, der wegen seiner Sympathien für den Dschihadismus registriert und überwacht war, nach Russland abzuschieben. Der Innenminister bedauert es im Fernsehen, dass er aufgrund der bisherigen gesetzlichen Regeln rund 4.000 unliebsame Personen nicht aus Frankreich „entfernen“ könne.

Seine Vorlage soll es nun erleichtern, ausländische Personen abzuschieben, wenn sie sich strafbar gemacht haben oder lediglich die „Prinzipien der Republik“ nicht respektieren. Dabei denkt Darmanin, ohne es explizit zu sagen, an die Regeln der französischen Laizität, die beispielsweise das Tragen eines Schleiers oder einer Burka im öffentlichen Dienst untersagt, sowie an radikale Islamisten, die in ihrer Familie oder Quartieren die Scharia vor die Autorität der Republik stellen möchten.

Kostenlose medizinische Versorgung nur in Notfall

Eine zweite Verschärfung, die laut der Umfrage ebenfalls von einer Mehrheit der Befragten gutgeheißen würde, betrifft die medizinische Versorgung der „Sans-papiers“, der Menschen, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Land befinden und oft schwarz arbeiten. Sie sollen zukünftig im Krankenhaus nur noch in Notfällen kostenlos behandelt werden.

Abgelehnte Asylbewerber sollen auch schneller abgeschoben werden

Schneller abschieben möchte die Regierung außerdem Geflüchtete, deren Asylgesuche abgelehnt werden. Das ist die Absicht hinter der Forderung, Anträge müssten in 4 statt bisher 12 Monaten behandelt und entschieden werden, damit die von der zuständigen Behörde nicht als Flüchtlinge akzeptierten Menschen nicht geltend machen, sie seien inzwischen in Frankreich verwurzelt.

Keine Zustimmung der Konservativen und Rechten

Trotz dieser deutlichen Verschärfung ist es Darmanin bisher nicht gelungen, dafür eine Zustimmung der Konservativen Les Républicains (LR), und so eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern, zu finden. Die meisten LR-Senatoren und -Abgeordneten sowie die Parlamentarier der extremen Rechten möchten weiter gehen, und sie stoßen sich an einem anderen Vorschlag in der Gesetzesvorlage. Der Artikel 3 nämlich sieht vor, dass „Sans-papiers“, die bereits in einem Wirtschaftszweig mit akutem Personalmangel arbeiten oder sich anstellen lassen wollen, eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung bekommen können.

Obschon dies offensichtlich im Interesse zahlreicher Unternehmen wäre, widersetzen sich die Fraktionen der Rechten vehement dieser Maßnahme, die ihnen zufolge eine Legalisierung von illegal Eingereisten und eine Einladung zur illegalen Einwanderung statt einer scharfen Kontrolle der Immigration darstelle. Noch hofft der politisch ehrgeizige Darmanin, zuerst im Senat und danach in der Nationalversammlung einen „Kompromiss“ und damit die Zustimmung zu seiner Vorlage aushandeln zu können. Er setzt in dieser Debatte seine Aussichten als Präsidentschaftskandidat der Partei Renaissance und Nachfolger von Präsident Macron aufs Spiel.

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