Bekenntnisse eines Union-Fans: „Der beste Trainer ist weg“

Urs Fischer konnte über seinen Abschied selbst bestimmen. Das hat er am Montag getan. Ich kenne aber keinen, der ihm Erfolglosigkeit vorwarf.

Je öfter Union verlor, desto trotziger standen die Fans zu ihrem Trainer Foto: Imago/Michael Taeger

Urs Fischer ist nicht mehr Trainer bei Union. Es gibt so viele Scheißmeldungen von außerhalb des Fußballs in diesen Tagen und Wochen, dass es diese nicht auch noch brauchte. Dass sie irgendwann kommen würde, war zwar so klar wie Unions vorhersehbares Aus in der Cham­pions League, aber das macht den Schock nicht kleiner.

Es steht mir nicht zu, die Entscheidung als begründet oder unausweichlich zu beurteilen. Labern gehört zwar zum Fußballfantum, aber man kann es auch einfach mal lassen.

Das Einzige, was ich sagen kann: Ich kenne keinen Unioner aus meinem persönlichen Umfeld, der dem Trainer Erfolglosigkeit vorwarf und ihn ausgetauscht sehen wollte. Im Gegenteil, er sollte unbedingt bleiben. Das konnte man zuletzt auch immer wieder in der Alten Försterei hören, wenn das ganze Stadion „Urs Fischer“-Rufe skandierte. Man darf wetten, dass es diese Sprechchöre beim nächsten Heimspiel gegen Augsburg wieder und noch lauter geben wird.

Nicht nur aus Dankbarkeit, weil er den Klub von der Zweiten in die Erste Bundesliga und in die europäischen Wettbewerbe geführt hat, sondern weil niemand besser zu diesem Verein passte. Unbeirrt und ohne abzuheben sein Ding machen, das kennzeichnete die Arbeit und das Auftreten des Schweizers.

Im Verbund mit Sportdirektor Oliver Ruhnert und der ganzen Vereinsbelegschaft schaffte er das Wunder, trotz stetiger Abgänge herausragender Spieler immer wieder eine neue, noch schlagkräftigere Mannschaft aufzubauen. Der Verein ließ ihn machen und wurde mit einem sportlichen Siegeszug belohnt.

Manchen war der Erfolg unheimlich

Es gibt wohl keinen deutschen Fußballklub, der mit vergleichsweise bescheidenen eigenen Mitteln einen so raschen (auch wirtschaftlichen) Aufstieg schaffte. Viele, vor allem ältere Unioner betrachteten das nicht nur berauscht, sondern fast unheimlich. Eigentlich war jedem klar, dass es nicht immer so weitergehen konnte. Der vierte Meisterschaftsplatz in der letzten Saison war das maximal Erreichbare auf absehbare Zeit.

Dass es so plötzlich wieder abwärts ging, von Platz eins auf den letzten Tabellenplatz, sorgte in den medialen Laberrunden außerhalb Berlins teilweise für mehr Verwunderung als in Köpenick selbst. Urs Fischer war ja stets als lustiger Kauz belächelt worden, wenn er als prioritäres Ziel permanent den Bundesligaklassenerhalt ausgab. Bei Union, und sicher nicht nur bei den Fans, hat man das trotz aller gestiegenen Ansprüche nicht als Spleen abgetan. Zumindest die älteren Anhänger und Mitglieder der Vereinsführung wissen noch allzu gut, das Fußball ein labiles Geschäft ist. Umso mehr hatte es etwas sehr Angenehmes, dass die Vereinsführung selbst in der Niederlagenschleife nicht zu Reflexen neigte, die das Fußballbusiness gemeinhin prägen. Präsident Dirk Zingler sprach Urs Fischer, der nach der letzten Saison von den Fachleuten zum „Trainer des Jahres“ gekürt worden war, das vollste Vertrauen aus.

Der 1. FC Union Berlin möchte sich nach dem Abschied von Urs Fischer keinen Zeitdruck bei der Trainersuche machen lassen. „Der Prozess, den wir jetzt aufsetzen, wird ein sehr sorgfältiger sein. Er hat im Grunde heute Mittag begonnen“, sagte Präsident Dirk Zingler am Mittwoch.

„Wir werden uns die Zeit nehmen, weil wir Marco Grote, den Co-Trainern und der Co-Trainerin das sehr wohl zutrauen, die Mannschaft in den nächsten Tagen oder Wochen zu führen“, sagte Zingler.

Mit Marie-Louise Eta hat Berlin als erster Bundesligaclub eine Co-Trainerin. Ob die 32-Jährige am 25. November gegen den FC Augsburg auf der Bank sitzen wird, ist aber offen. (dpa)

Dass es jetzt trotzdem zur Trennung kam, dürfte die abgebrühten Profibeobachter vielleicht zu neunmalklugen Sprüchen veranlassen. Wen interessiert’s. Dirk Zingler hat auf einer Pressekonferenz gestern Nachmittag gesagt, dass die Nachricht „wie ein Schlag mit dem Vorschlaghammer“ auf viele Menschen wirke, aber er habe an seinem Vertrauen bis zum Schluss festgehalten. Es sei eine „gemeinsame Entscheidung“ mit dem Trainer gewesen, die Zusammenarbeit zu beenden.

Nach Zinglers Worten, an denen zu zweifeln es keinen Anlass gibt, habe es eine klare Vereinbarung gegeben, dass er ihn bis zur letzten Sekunde unterstützen würde. Wann diese letzte Sekunde kommen würde, hätte in der Hand von Urs Fischer gelegen. So sei es zuvor vereinbart worden.

Am Montag, einen Tag nach dem desaströsen 0:4 von Union bei Bayer Leverkusen, war der Zeitpunkt offenbar gekommen. „Wir wusste nach zwei Minuten, wie das Gespräch, das sehr emotional war, endet.“ Interessant ist die Aussage des Präsidenten, dass beide Seiten sowieso gewusst hätten, dass die Zusammenarbeit endlich sei. „Wir haben die Beendigung nur vorgezogen.“ Wobei das Wir in diesem Fall das Ich von Urs Fischer war, der damit einen ähnlich selbstbestimmten Abgang wie kürzlich Trainer Bo Svensson bei Mainz 05 wählte.

„Wir fühlten uns beide manchmal gefangen, wie wir das alles mit den Erfolgen fortführen könnten“, sagte Dirk Zingler, und ja, der Fußball sei unberechenbar. Manchmal schmerze er, manchmal bringe er Freude, mit beidem müsse man umgehen.

Der beste Trainer, den Union je hatte, ist weg. Aber seine Aura liegt noch über dem Verein. Sie soll helfen, ihn vor dem sportlichen Abstieg zu retten.

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