Klimasünden im linken Milieu: Eine Spaßbremse wie Sam der Adler

Natürlich wissen alle, dass es irgendwie nicht okay ist, für zwei Wochen nach Bali zu fliegen. Darum behalten sie es manchmal einfach für sich.

Ein junge Frau mit ausgebreiteten Armen in einem Reisfeld

Glücksgefühle mit schlechtem Gewissen in einem Reisfeld in Vietnam Foto: imago

Als Schüler war ich ein großer Fan der Muppet-Show. Der hysterische Frosch Kermit, seine beliebte und beleibte Diva Miss Piggy, der dänische Koch, Prof. Dr. Honigtau Bunsenbrenner, „das Tier“ und all die anderen Irren waren ein fester Teil meines Kosmos. Und dann gab es noch den Adler Sam: Ein riesiger Vogel, der seine buschigen Augenbrauen zusammenzog und knurrte: „Das Niveau der Show ist unterirdisch!“

Ich bin auch so eine Spaßbremse. Wenn privat über das Thema Klima geredet wird – oder eben nicht. Da erzählt ein Freund begeistert von seiner Karibik-Kreuzfahrt. Dann fällt sein Blick auf mich – und er verstummt. Auf einer Party wird angeregt über die besten Hotels in Vietnam diskutiert. Klimajournalist Pötter kommt dazu. Das Gespräch erstirbt. Manche Freunde sagen: „Ah, dir erzähle ich besser nichts von meinen Urlaubsplänen.“

Das Bizarre: Ich halte niemandem den moralischen Zeige- oder den umweltpolitischen Stinkefinger vors Gesicht. Ich verzichte auf Vorträge über die Zerstörungen des Ferntourismus oder die letzte Horrorstudie zur Antarktis. Ich rolle nicht mal mit den Augen. Ich bin nur da. Das personifizierte schlechte Gewissen.

Denn natürlich wissen eigentlich alle, dass das irgendwie nicht okay ist, für zwei Wochen nach Bali zu fliegen. Aber WIE sehr es nicht okay ist, will keiner genau wissen. Und ich sage es auch nicht. Oder sollte ich erwähnen, dass allein der Flug nach Bali und zurück mit 3 Tonnen CO₂ das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen sprengt?

Adler Sam oder Waldorf oder Statler

Sollte ich nach dem Spritverbrauch fragen, wenn mich ein Freund mit dem neuen BMW abholt? Das sollte ich vielleicht, weil ich ja der Rettung der Welt verpflichtet bin. Aber das sollte ich vielleicht nicht, wenn ich auf der Party noch mit jemandem Anderes reden will als mit dem Kühlschrank.

Es ist nicht die Kommunikation mit den Leugnern des Klimawandels, die mich fertigmacht. Was an meinen Nerven zerrt, ist die Beiläufigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der sich auch das linksgrün drehende Milieu im fossilen Wohlstand eingerichtet hat. Und dabei halte ich die Klappe gegenüber den Aufgeklärten, die wissen, was Sache ist, und sich trotzdem benehmen, als gäbe es kein Morgen.

Sam der Adler ist nicht die lustigste Rolle in der alltäglichen Freakshow. Aber ich werde älter. Sobald das Haar grau genug ist, übernehme ich Waldorf oder Statler – die Muppet-Grantler, die aus der Loge zu allem ihren sarkastischen Senf dazugeben. Mehr kann man als Journalist im Leben nicht erreichen.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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