Finanzierung des BAMF: 87 Millionen zu wenig für Asyl-IT

Trotz hoher Antragszahlen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll 2024 drei Viertel seines Etats für IT-Dienstleistungen verlieren.

Zu sehen ist der Eingang des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg

Digital nicht gut ausgestattet: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg Foto: Daniel Karmann/dpa

BERLIN taz | Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll für das kommende Jahr rund 70 Millionen Euro bei IT-Projekten kürzen. Statt dem von der Behörde angemeldeten Finanzbedarf von 124,8 Millionen soll sie nach dem Willen des Bundesinnenministeriums nur 37,8 Millionen Euro für die entsprechenden Bereiche ausgeben dürfen. Das geht aus Dokumenten des Bamf hervor, die der taz vorliegen.

In einem Schreiben an das Ministerium klagt die Behörde mit Blick auf die an diesem Donnerstag stattfindende Haushaltsbereinigungssitzung im Bundestag, dass durch solche Kürzungen „nicht nur die Zukunftsfähigkeit, sondern auch der reguläre Dienstbetrieb im Jahr 2024 gefährdet wäre“. Der Bedarf für IT-Dienstleistungen sei in den vergangenen Jahren mit den steigenden Antragszahlen gewachsen.

Insbesondere müssten „zwingende Weiterentwicklungen“ gestrichen und rund 350 externe Kräfte gekündigt werden, um die Einsparungen umzusetzen. Diese hätten „zum Teil langjährige Expertise in den Spezialsystemen des Bamf aufgebaut.“

Durch Aufwüchse beim Budget in anderen Bereichen bleibt die Behörde insgesamt allerdings offenbar von Schröpfung verschont: 2024 soll sie laut dem Haushaltsplan des Bundesinnenministeriums vom 7. September rund 819 Millionen Euro ausgeben dürfen. Im laufenden Jahr waren es rund 725 Millionen – ein Plus also von fast 13 Prozent.

Brandbrief an Faeser

Gleichwohl existiert eine sogenannte Negativliste mit 72 IT-Projekten, die voraussichtlich eingestellt werden müssten, wenn die Kürzungen so greifen. Darunter fällt etwa IT für das sogenannte Assistenzsystem für Anhörungen und bestimmte Anwendungen zur Integration von Asylberechtigten. Auch nötige Software für die Organisation der Berufssprachkurse würde nicht weiter entwickelt.

Um auch in anderen Bereichen zu sparen, will das Bamf offenbar die verbindliche, generelle Anwendung der Sprach- und Dialekterkennung und das Auslesen mobiler Datenträger einschränken. Das Schreiben ist vom Oktober. Anfang November hatte Bamf-Chef Hans-Eckard Sommer zudem einen Brandbrief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geschrieben und die Überlastung seiner Behörde beklagt.

Im Bundesamt in Nürnberg sei die Stimmung schlecht, sagt ein Mitarbeiter der taz. Die Kürzungen im IT-Bereich seien für alle ein Thema. „Viele sind deshalb frustriert“, sagt er. Die betreffenden IT-Projekte seien nicht wegzudenken und würden gebraucht, Streichungen bei einer Anwendung wirkten sich unmittelbar auf den betreffenden Arbeitsbereich aus. „Es läuft darauf hinaus, dass wir uns auf das Kerngeschäft konzentrieren: Asylverfahren und Integrationskurse“, sagt der Mitarbeiter.

Dass gerade im IT-Bereich gespart werden soll, ist bemerkenswert angesichts der jüngsten Beschlüsse der Lan­des­che­f*in­nen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu Migrationsfragen. Diese hatten sich darauf geeinigt, die Asylverfahren in Deutschland – also die Arbeit des Bamf – deutlich beschleunigen zu wollen.

„Bund und Länder werden dafür die personellen und organisatorischen Voraus­setzungen schaffen, sofern nicht bereits vorhanden“, heißt es dazu im Beschlusspapier. Auf Bundesebene betreffe das „die Kapazitäten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“. Auch die Digitalisierung der Behörden hatten die Re­gie­rungs­che­f*in­nen sich gegenseitig aufgetragen.

Viele fehlerhafte Bescheide

„Wer schnelle Asylverfahren will, muss zuallererst dafür sorgen, dass sich die Qualität der Bamf-Entscheidungen verbessert“, sagt die Linken-Abgeordnete Clara-Anne Bünger. Denn ein Grund dafür, dass viele Asylsuchende viele Monate oder gar jahrelang im Asylverfahren festhängen, sei die Tatsache, dass sie ihren Schutzstatus vor Gericht erstreiten müssen. „Die Zahl an fehlerhaften Bescheiden beim Bamf ist viel zu hoch“, so Bünger.

Um für bessere Asylentscheidungen zu sorgen, brauche es neben einer angemessenen personellen Ausstattung des Bamf eine gute Vorbereitung der Asylsuchenden auf die Anhörung, damit diese ihre Asylgründe umfassend vortragen können. Hierfür seien behördenunabhängige Asylberatungsstellen essenziell, die auch Ende 2022 vom Bundestag beschlossen wurden. Nur stelle die Bundesregierung nun auch hier nicht die notwendigen Gelder bereit, um eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen.

„Angesichts steigender Zahlen von Asylanträgen kann es nicht sein, dass außerdem bei IT-Dienstleistungen gespart wird“, sagt Bünger. „Das wird negative Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des Bamf haben.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.