Neue Musik aus Berlin: Festgeschnallt vorm Radio

Der „Nachtflug“, auf den das neue Album von Herbst in Peking einlädt, ist wunderbar ungemütlich. Prinzip Rundfunk meets Post-Rock-Collage.

Die aktuelle Besetzung von Herbst in Peking auf einer Bühne. Links klatscht Helmar von Brünn hinter einem Mischpult in die Hände, in der Mitte der Bühne steht Rex Joswig barfuß und singt in ein Mikro, rechts steht King Snow. Er hat eine Gitarre umgelegt und faltet die Hände wir zu einem Gebet.

Auf der Platte: Helmar von Brünn, Rex Joswig und King Snow (v. l. n. r.) Foto: © JeKa Foto 2023

Schon mal vor dem Radio festgeschnallt? Das neue Album von Herbst in Peking ist das bis dato ungemütlichste der Band aus dem Prenzlauer Berg seit „Feuer, Wasser & Posaunen“, das im späten Millennium konstatierte: „Das süße Leben ist vorbei“. Hätte man mal genauer hingehört, kann man aber immer noch nachholen.

„Nachtflug“ ist tatsächlich wie eine Radioshow gearbeitet und von zwei Jingles gerahmt. Das Album ist eine knappe halbe Stunde kurz, dabei jedoch prägnant. Auf dem eigentlich ersten Song „Welt der Wunder“ bedient sich Rex Joswig eines Kniffs, wenn seine Stimme kaum durch die rhythmische Geräuschwand hindurchkommt.

Von dem Dramatiker Heiner Müller heißt es, er habe sich irgendwann angewöhnt, bewusst leise zu sprechen, um sein Gegenüber zum Zuhören zu zwingen. Es lohnt sich. Drei der Texte des Albums stammen von dem Dichter Kai Pohl, sie handeln vom medialen und realen Beschiss. Im zehnminütigen Titelstück wird das universell, selbst wenn die Kulisse um die Ecke zu liegen scheint.

Herbst in Peking:Nachtflug“ (Moloko+ Records; Cover Artwork: Kai Pohl); Live mit Der Schlagzeuger von Zwitschermaschine: 22. 12., 20 Uhr, PandaTheater

Zum Album gehören Vignetten und Collagen. Auf einer erläutert der Medientheoretiker Marshall McLuhan die Theorie des Loops, während eine kratzige Westerngitarre hereinweht. Der Adressat im „Lied für Edgar“ ist tatsächlich Mr. Poe, Urheber der suggestiven Schleifen „nothing more“ und „nevermore“. Dass die Eule auf dem Cover die der Minerva ist, bleibt zu hoffen. Im Allgemeinen spricht vieles für ein Nachtflugverbot; im Speziellen, und damit haben wir es hier zu tun, gilt es als aufgehoben.

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Robert Mießner, geboren 1973 in Berlin. Studium der Neueren und Neuesten Geschichte, Philosophie und Bibliothekswissenschaft. Flaniert und notiert, hört zu und schreibt auf.

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