Einigung im Haushaltsstreit: Die riskante Wette der Koalition

Ein Haushalts-Kompromiss ist gefunden. Weil die FDP neues Geld erfolgreich blockiert hat, bleibt das Soziale auf der Strecke – das ist gefährlich.

Portrait von Christian Lindner

Streichen statt Schulden: Bundesfinanzminister Christian Lindner Foto: Christian Spicker/imago

Es ist ein Sieg der FDP: Sie hat vorerst durchgesetzt, dass die Schuldenbremse nicht angetastet wird. Stattdessen wird 2024 im Bundeshaushalt und bei den Klima-Investitionen gestrichen.

Die Liberalen haben diesen Sieg nicht durch eigene Stärke eingefahren. Bekanntlich kommen sie in Umfragen nur auf 4 bis 5 Prozent und rangieren damit in der Todeszone. Aber der FDP half, dass sie beim Thema Schulden die Mehrheit der WählerInnen hinter sich weiß. 61 Prozent der BürgerInnen glauben, dass die Schuldenbremse eine gute Idee sei.

Das ist tragisch, denn damit verbauen sich die Deutschen ihre eigene Zukunft. Schulden sind zwingend nötig, um Investitionen zu finanzieren. Der Staat kann nicht wie ein Sparschwein agieren und zunächst Geld zurücklegen. Sobald gespart wird, fehlt Nachfrage – und die Wirtschaft bricht ein. Doch dieses Argument zündet bei den Deutschen nicht. Sie sind ein Volk von schwäbischen Hausfrauen.

Allerdings bleibt unklar, wie die Ampel die Schuldenbremse einhalten will. Im regulären Haushalt fehlen 17 Milliarden Euro. Deutlich ist nur, was nicht gestrichen wird. Die SPD verbucht es als Sieg, dass Bürgergeld und Kindergrundsicherung bleiben. Dieser „Sieg“ war allerdings billig einzufahren. Die Kindergrundsicherung soll sowieso erst 2025 kommen, und das Bürgergeld ließ sich nicht mehr kürzen, weil die Bundesagentur für Arbeit schon angefangen hat, es auszuzahlen. Es wird spannend, wie es dem Parlament in den Haushaltsberatungen gelingen soll, 17 Milliarden Euro aufzutreiben. Nach dem Ampelstreit ist vor dem Ampelstreit.

Höhere CO₂-Preise sind konsequenter Klimaschutz, könnten aber direkt aufs Konto der AfD einzahlen.

Klarer ist, wie es mit dem Sondertopf namens „Klima- und Transformationsfonds“ weitergeht. Dort fehlten 12 Milliarden Euro. Die Grünen feiern nun, dass sie neue Einnahmen generieren konnten, indem der CO₂-Preis ab 2024 auf 45 Euro die Tonne steigt. Bisher beträgt er 30 Euro und sollte nur auf 40 Euro steigen.

Höhere CO₂-Preise sind konsequenter Klimaschutz, keine Frage, könnten aber direkt aufs Konto der AfD einzahlen. Denn bei Energiepreisen werden WählerInnen schnell nervös. Zumal nicht nur der CO₂-Preis steigen wird. Auch die Netzentgelte beim Strom dürften um 3 Cent pro Kilowattstunde zulegen.

Die Ampel hofft, dass die steigenden Abgaben nicht auffallen, weil Gas und Öl auf den Weltmärkten wieder billiger werden. Das ist eine riskante Wette. Denn die AfD wird gnadenlos behaupten, dass grüne Stadteliten die arme Landbevölkerung quälen wollen. Vor allem im Osten natürlich – denn dort sind 2024 drei Landtagswahlen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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