Japanischer Film: Homoliebe unter Samurai

In „Kubi“ zeigt Takeshi Kitano eine kaum bekannte Seite der Schwertkrieger. Der Filmemacher ist bekannt für Gewaltszenen – doch kann auch anders.

Zwei Japanische Krieger blicken sich ernst in die Augen

Szene aus „KUBI“, inszeniert und geschnitten von Takeshi Kitano Foto: 2023 KADOKAWA ©T.N GON Co.,Ltd.

Mit seinem neuen Film „Kubi“ bestätigt der japanische Filmemacher Takeshi Kitano seinen Ruf als Provokateur. In seiner Rückkehr zum Samurai-Film interpretiert Takeshi einen berühmten historischen Zwischenfall aus dem Jahr 1582 auf überraschende Weise neu. Damals überfiel der Samurai-General Mitsuhide Akechi seinen Lehnsherrn Nobunaga Oda im Tempel Honno in Kioto und trieb ihn in den Selbstmord.

Takeshi erklärt den Putsch erstmals mit homoerotischen Beziehungen zwischen den Kriegsherren. „Was bei bisherigen Darstellungen dieser Zeit nie gezeigt wurde, sind die Beziehungen zwischen Männern, einschließlich ihrer homosexuellen Beziehungen“, so Kitano vor dem Filmstart in ­Japan.

„Kubi“ geht von einer Dreiecksbeziehung zwischen Oda, Akechi und dem Fürsten Araki Murashige aus. Diese Lesart ist weniger gewagt, als man im Westen vermuten könnte, wo Samurai als besonders männliche Krieger gelten. Doch Sex zwischen Männern war zur damaligen Zeit weit verbreitet, organisiert in Samurai-Häusern, buddhistischen Klöstern und mit dem Kabuki-Theater verbundenen Männerbordellen.

Homosexualität in Japan

„Homosexuelles Verhalten war während der Tokugawa-Zeit (1603–1868) ein hervorstechendes Merkmal der Mainstream-Kultur“, schreibt der Historiker Gary P. Leupp. Erst mit der Meiji-Restauration ab 1868 und dem Streben der Elite nach Verwestlichung wurde es allmählich zum Tabu.

Dennoch ignorierten die meisten Historienfilmemacher in Japan die damals offen ausgelebte Homoliebe, obwohl weibliche Charaktere in vielen Samurai-Streifen fehlen. Man zeigte höchstens „homosoziale Begehren“, das sich durch die Verachtung von Frauen und die Unterdrückung von Homosexualität auszeichnete. Eine bekannte Ausnahme ist „Taboo“ (1999) von Nagisa Oshi­ma, in dem ausgerechnet Kitano mitspielte.

Dagegen stellt „Kubi“ den homosexuellen Liebesakt offen dar und verleiht dem Intrigendrama eine emotionale Qualität, die auch westliche Zuschauer ohne genaue Kenntnisse der japanischen Historie spüren können. Ryo Kase spielt den vom Wahnsinn besessenen, grausamen Diktator Oda, der sich an seinen männlichen Geliebten vergeht und den Putschgeneral Mitsuhide, dargestellt von Hidetoshi Nishijima, quält. Fürst Akechi, gespielt von Kenichi Endo, ist süchtig nach Liebe und verrückt vor Eifersucht.

„Lachen ist ein Teufel“

Zwischen diesen Extremen steht der Fürst Toyotomi Hideyoshi, verkörpert durch Kitano selbst, ein gerissener Kriegsherr, der die Schwächen der verschiedenen Fraktionen und ihrer Führer analysiert und sie gegeneinander ausspielt. Eigentlich wollte Kitano für „Kubi“ – den er auch geschrieben und geschnitten hat – als Regisseur hinter der Kamera bleiben, aber die Produzenten des Films sagten ihm, dass es schwieriger wäre, den Film im Ausland zu vermarkten, wenn er nicht mitspielen würde.

Kitano, der 1989 mit „Violent Cop“ sein Regiedebüt gab und 1997 für „Hana-bi“ den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig gewann, ist bekannt für seine extremen Gewaltszenen. Hier bleibt sich der Japaner treu. Der Titel „Kubi“ bedeutet „Hals“ oder „Nacken“ und bezieht sich auf das verbreitete Kopfabschlagen in der Welt der Samurai. Dennoch glänzt das Werk durch unerwartete Szenen mit beißendem Humor.

So reißen Hideyoshi und seine Begleiter Witze, während sie einen Samurai bei seinem Selbstmordritual beobachten. „Lachen ist ein Teufel“, sagt Kitano. „Wenn die Leute sehr ernst sind, wie bei Hochzeiten oder Beerdigungen, bringt sie immer irgendjemand zum Lachen.“ Als nächstes Projekt realisiert er gerade einen Film, der in seiner ersten Hälfte Gewalt zeigt und sie in der zweiten Hälfte parodiert. „Ich denke, ich kann das irgendwie hinbekommen“, grinst der Filmemacher.

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