Lehren aus der verheerenden Pisa-Studie: Ein Ruck nach dem Schock

Die Pisa-Ergebnisse lösen Besorgnis aus, konkrete Verbesserungsvorschläge existieren bereits. Bund und Länder müssten nur endlich handeln.

Ein Schulheft mit Mathematikaufgaben

Ein neues Programm hier oder ein paar Millionen da, das reicht einfach nicht mehr Foto: Jochen Tack/imago

Zu den verheerenden Pisa-Ergebnissen deutscher Schü­le­r:in­nen sind diese Woche viele Worte gefallen. Von Kanzler Scholz („besorgniserregend“) bis zu Möchtegern-Kanzler Söder („ein Schlag ins Gesicht Deutschlands“) hat sich die halbe Nation zu einer Stellungnahme berufen gefühlt. Einig sind sich alle in dem vernichtenden Urteil, selbst die sonst so streitlustigen Ampelmänner und -frauen.

Doch wenn es um konkrete Vorschläge geht, wie der Leistungsabfall an Schulen gebremst und die anhaltende Chancenungleichheit abgefedert werden können, ist es schnell vorbei mit der Einigkeit. Bil­dungs­for­sche­r:in­nen mahnen, wie wichtig eine gezielte Förderung schon im Vorschulalter wäre. Po­li­ti­ke­r:in­nen versprechen, den Unterricht so anzupassen, dass wieder alle lesen, schreiben und rechnen lernen. Schulen und Gewerkschaften sehen vor allem im Personalmangel die Ursache für die Misere.

Richtig liegen sie alle. Wobei auf den neuer­lichen Pisa-Schock auch die Einsicht folgen muss, dass ein neues Programm hier oder ein paar Millionen da einfach nicht mehr reichen. Bund und Länder müssen handeln – und zwar in allen oben genannten Punkten.

Eine flächendeckende Kita-Versorgung, die so wichtig wäre für benachteiligte Kinder, scheitert vor allem an den oft miesen Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte. Wenn dem Staat die Bildungsarbeit an einem Gymnasium aber doppelt so viel wert ist wie die in der Kita, wer kann sich da noch über fehlendes Personal wundern? Zumal angehende Er­zie­he­r:in­nen für ihre Ausbildung teils noch immer bezahlen müssen. Motivationsbremse ist für diesen Zustand noch ein freundliches Wort.

Positivbeispiel Hamburg

Ebenso rätselhaft ist, warum die meisten Bildungsminister:innen, die ja gern die gestiegene Heterogenität in Klassen beklagen, nicht konsequent auf frühe Sprachförderung setzen. Wie sehr die helfen kann, macht seit Jahren Hamburg vor – das sich auch deshalb vom Bankdrücker zum (teils) Klassenbesten gemausert hat.

Und, weil es seine Schulpolitik wie kein anderes Land auf Daten stützt. Hamburger Schulen erhalten zusätzliche Stellen, wenn sie im sozialen Brennpunkt liegen oder bei Tests besonders mies abschneiden. Es ist gut, dass der Bund hier die Länder in die Pflicht nimmt und beim geplanten „Startchancenprogramm“ für Brennpunktschulen auf eine Mittelvergabe nach sozialen Kriterien pocht.

Muss sich nur zusätzliches Personal finden. Ihre entsprechenden Pläne haben die Länder am Freitag vorgestellt: darunter ein neuer Master für Ein-Fach-Lehrkräfte und eine bessere Bedarfsprognose. Man muss den Ministerien Glück wünschen – den Kindern zuliebe, die der Staat beim Aufstiegsversprechen bislang im Stich lässt. Traurig nur, dass es dazu eine Pisa-Studie braucht.

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Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

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