Haushaltskrise aus Auslands-Sicht: Deutschland wieder auf Sonderweg

Das Sparideal der Bundesregierung sorgt im Ausland für Kopfschütteln. Dazu gesellt sich eine zunehmende Entfremdung in der Außenpolitik.

Ein rosafarbenes Sparschwein

Das zum deutschen Sparideal erhobene Leitbild der „schwäbischen Hausfrau“ wirkt, aus dem Ausland betrachtet, provinziell Foto: bonn-sequenz/imago

Am Mittwoch sind die Spitzen der Ampel auseinandergegangen, ohne zu verraten, wie sie die Löcher in ihrem Haushalt stopfen wollen, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerissen wurden. Die Zitterpartie geht also weiter. Das muss den Menschen und der Wirtschaft nicht nur hierzulande Sorgen machen, sondern auch im Rest Europas und der Welt. Deutschland ist, als größte Volkswirtschaft des Kontinents, der Motor der europäischen Entwicklung. Stockt dieser Motor, schlägt das auch auf unsere Nachbar- und Partnerländer durch.

Dort versteht man die Deutschen und ihre Marotten immer weniger. Das zum deutschen Sparideal erhobene Leitbild der „schwäbischen Hausfrau“ wirkt, aus dem Ausland betrachtet, bestenfalls provinziell. Selbst die Financial Times und Bloomberg, wahrlich keine linksradikalen Träumer, warnen inzwischen vor dem deutschen Übereifer beim Sparen und halten die Schuldenbremse für eine „schlechte Idee“.

Nun versteht man besser, warum die Ökonomen Joseph Stiglitz und Adam Tooze schon vor zwei Jahren, als die Ampel gerade antrat, FDP-Chef Christian Lindner zum gefährlichsten Mann Europas erklärten und davor warnten, ihm sein Schlüsselressort der Finanzpolitik anzuvertrauen. Denn hinter dem modischen Dreitagebart und im schnittigen Anzug steckt fiskalpolitischer Starrsinn. Dieser steht jetzt dringend benötigten Investitionen in die Infrastruktur, den Klimaschutz und die Bildung, und damit dem Fortschritt in diesem Land im Weg.

Leider hat die Union, auf deren Betreiben hin die Schuldenbremse einst ins Grundgesetz geschrieben wurde, keine alternative Vision anzubieten: Sie will an der fatalen Bremse festhalten und schlägt vor, beim Bürgergeld, der Kindergrundsicherung und den Sozialleistungen zu sparen – nicht gerade ein Lockangebot an die SPD, ihre Koalitionspartner zu wechseln.

Weiter durchwurschteln

Der Etat des Verteidigungsministeriums, immerhin der zweitgrößte Posten im Haushalt, ist dagegen auch für die Union tabu. Deshalb wird sich die Koalition vermutlich weiter durchwurschteln und einen Weg finden, über Sonderfonds und andere Tricks ihren Haushalt zu retten. Ein Aufbruch sieht anders aus, und diese unsolidarische Sparpolitik wird, so steht es zu befürchten, europaweit jene rechten Populisten weiter beflügeln, die ihre jeweiligen nationalen Interessen an erste Stelle setzen. Der Erfolg eines Geert Wilders ist dafür nur das letzte Beispiel.

Auch außenpolitisch entfremdet sich Deutschland immer mehr von seinen Partnern. Während Außenministerin Baerbock im hohen moralischen Ton die russische Kriegsführung zu Recht anprangert und für eine weitere militärische Unterstützung der Ukraine wirbt, findet sie angesichts von Tod und Zerstörung im Gazastreifen kaum Worte. Andere europäische Länder und sogar die USA gehen inzwischen stärker auf Distanz zur Kriegsführung der israelischen Regierung als Deutschland, das weiter den Schulterschluss sucht. Zum ökonomischen Sonderweg gesellt sich die außenpolitische Isolation: düstere Aussichten für Deutschlands Rolle in der Welt.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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