Meduza-Auswahl 21. – 27. Dezember: Zwölfmal Hoffnung

Während Alexej Nawalny isoliert wurde, wünschen sich die Meduza-Gründer Frieden für die Ukraine und Nahost. Texte aus dem Exil.

Menschen in Winterkleidung laufen neben einer Wand und Stacheldraht

Alexej Nawalny ist wieder aufgetaucht: nördlich des eisigen Polarkreises, Strafkolonie IK-3 in Charp Foto: Ombudsmann für Menschenrechte des Autonomen Bezirks der Jamal-Nenzen/AP/dpa

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 21. bis zum 27. Dezember 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Mit einem Graphic Novel gegen die Ignoranz

„Niemand wusste, dass wir 200 Jahre lang im [ehemaligen] Russischen Reich gelebt hatten. In den Schulbüchern wurden wir nicht erwähnt. In der Sowjetunion gab es uns als Gruppe weder in den Zeitungen noch im Radio oder Fernsehen“, erzählt Lena Wolf, deren Familie, ethnische Deutsche, in Kasachstan lebte und später nach Lettland zog.

Die ethnischen Deutschen, die sich im Russischen Reich niedergelassen hatten, wurden aus der sowjetischen Geschichte weitgehend ausgeklammert. Viele machten deswegen keinen Unterschied zwischen ihnen und den Soldaten aus Nazideutschland, die 1941 in die Sowjetunion einmarschiert waren. Auch Lena wurde deswegen oft als „Nazi“ beschimpft.

Meduza veröffentlicht Ausschnitte von Lenas erstem Buch (englischer Text) – Graphic Novel, in dem sie die Geschichte ihrer Familie für ein junges Publikum zugänglich macht. Die Idee, ihre Familiengeschichte aufzuschreiben, kam so zustande: Jahrelang musste Lena erklären, woher sie stammte – und manchmal wurde ihr sogar gesagt, dass Russlanddeutsche gar nicht existierten.

Nawalny in Strafkolonie oberhalb des Polarkreises verlegt

19 Tage lang gab es keine Nachrichten über den Verbleib von Russlands wichtigstem Oppositionspolitiker, Alexei Nawalny. Am 25. Dezember gab sein Team schließlich bekannt, dass Nawalny in die Strafkolonie Nr. 3 in der Siedlung Kharp im autonomen Bezirk der Jamal-Nenzen verlegt wurde.

In dieser Strafkolonie oberhalb des Polarkreises verbrachte auch Michails Chodorkowskis Geschäftspartner Platon Lebedew, der im Fall Yukos verurteilt wurde, einen Teil seiner Strafe. Der Fall Yukos ist ein Wirschaftskrimi um einen der ehemals größten Erdöl- und Chemiekonzerne Russlands.

In diesem Beitrag (russischer Text) veröffentlicht Meduza Gesprächspassagen zwischen Lebedew und der unabhängigen russischen Zeitung Novaya Gazeta, in denen die harten Haftbedingungen in der Strafkolonie beschrieben werden. „Es ist fast unmöglich, in diese Kolonie zu gelangen, es ist sogar fast unmöglich, Briefe dorthin zu schicken. Das ist der höchstmögliche Grad an Isolation der Welt“ – und darum gehe es Moskau, schreibt Leonid Wolkow, ein Mitarbeiter Nawalnys.

Wie es um den Wahlkampf in Russland steht

Damit Wladimir Putin nicht wie ein 71-jähriger „Großvater“ bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden März wirkt, hat die russische Zentralkommission für die Wahlen verschiedene Kandidaten ausgeschlossen. Russlands Parlamentsparteien – die KPRF, die LDPR und die Neue Leute – wollten ursprünglich andere Kandidaten im März 2024 antreten lassen. Meduza berichtet (russischer Text) nach Angaben von Kreml nahen Quellen, dass die nun tatsächlich antretenden Kandidaten Putin „vertraut“ seien und, mit Ausnahme eines 39-Jährigen, keiner jünger als 50 sei.

Die Zentralkommission ließ diese Woche etwa die Politikerin Ekaterina Dutsova nicht zu. Sie war eine der „Antikriegskandidaten“. Dutsova beabsichtigt, gegen die Entscheidung der Kommission vor dem Obersten Gerichtshof Berufung einzulegen. Sie bat auch die Partei Jabloko, sie als Kandidatin zu nominieren – deren Gründer sagte jedoch, dass die Nominierung von Dutsova „ausgeschlossen“ sei, weil die Partei „sie nicht kenne“.

Wunschliste der Meduza-Gründer: Zwölfmal Hoffnung

Die Gründer von Meduza, Ivan Kolpakov und Galina Timchenko, haben kurz vor Jahresende eine Wunschliste für 2024 erstellt – ein Protokoll ihrer wildesten Hoffnungen und Träume (englischer Text).

Unter anderem wünscht sich das Exilmedium ein vollständiges Ende des Krieges im Nahen Osten. „Wir träumen davon, dass die Menschen anfangen zu reden, statt sich gegenseitig umzubringen“. Auch im Ukraine-Krieg träumt Meduza von einem „gerechten Ende dieses Konflikts, bei dem die Ukraine ihr Land zurückerhält, Russland für seine Taten bezahlt (zumindest in Form von Reparationen) und Putin und sein Gefolge von Kriegsverbrechern vor Gericht gestellt werden“.

Ein weiterer wichtiger Wunsch: Journalisten müssten die Möglichkeit haben, in ihre jeweilige Heimat zurückkehren zu dürfen. „Jeder hat das Recht, nach Hause zu gehen. Wir träumen davon, über den Gartenring in Moskau zu fahren, über die Lunatscharski-Straße in Perm zu schlendern, unsere Eltern zu umarmen und alte Klassenkameraden zu treffen.“

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