Proteste der Landwirte: Wie schlimm trifft es die Bauern?

Die Dieselkürzungen werden das Höfe­sterben kaum beschleunigen. Der durchschnittliche Betrieb verliert nur rund 1.700 Euro pro Jahr.

Getreideernte mit großen Mähdreschern in der Dämmerung

Weizenernte mit großen Landmaschinen, Uckermark, Juli 2022 Foto: Christian Thiel/imago

Wenn der Rabatt bei der Energiesteuer auf Agrardiesel wegfällt, würde der durchschnittliche Hof nicht pleitegehen. „Die Kürzungen sind finanziell schon merkbar, aber für einen durchschnittlichen Betrieb nicht existenzgefährdend“, sagt Sebastian Lakner, Professor für Agrar­ökonomie an der Universität Rostock. „Die Kürzungen entsprechen nur etwa 5 Prozent der Beihilfen und Zuschüsse, die die Betriebe ohnehin erhalten, und nur etwa 2 bis 3 Prozent der zuletzt erzielten Gewinne“, ergänzt Alfons Balmann, Leiter des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien.

Andere Wissenschaftler, wie Claus Deblitz vom bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstitut, halten die Frage nach der Existenzgefährdung zwar nicht für „pauschal“ beantwortbar, weil die Werte je nach Hof „deutlich“ abweichen könnten. Aber auch er räumt ein, dass die 256.000 Agrarbetriebe in Deutschland bei insgesamt 440 Millionen Euro Dieselrückvergütung im Durchschnitt nur rund 1.700 Euro verlieren würden – pro Jahr und bei einem Umsatz in Höhe von ungefähr 300.000 Euro. Haupterwerbsbetriebe nahmen laut Bauernverband 2022/23 sogar 480.000 Euro ein und verbuchten 115.000 Euro Gewinn.

Sebastian Lakner, Agrarökonom Uni Rostock

„Sollte diese Kürzung für einzelne Betriebe existenzgefährdend sein, deutet dies auf bereits vorliegende ökonomische Schwierigkeiten hin“

Kleinere Betriebe erhielten nicht nur absolut, sondern auch je Hektar deutlich geringere Dieselbeihilfen, erläutert Balmann. Bei Klein- und Nebenerwerbsbetrieben waren es laut Agrarministerium 2021/22 rund 900 Euro, bei Haupterwerbsbetrieben 2.900 und bei den als juristischen Personen wie GmbHs organisierten, in der Regel sehr großen Unternehmen in Ostdeutschland 26.600 Euro.

Am meisten bekommen also die Großen. „Ich sehe das nicht so, dass kleinere Betriebe besonders unter der Agrardieselkürzung leiden“, sagte der Kieler Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube der taz. Auch weil die kleineren Betriebe oft nur einen Teil des Fami­lien­ein­kommens beisteuern. Viele würden auch von zum Beispiel Ferienwohnungen oder dem Einkommen der PartnerInnen in anderen Berufen leben.

Biobetriebe nicht stärker betroffen

„Sollten jetzt infolge der Subventionskürzungen dennoch etwas vermehrt kleinere Betriebe aufgeben, sind das wohl zumeist vorgezogene Betriebsaufgaben, die ohnehin in den nächsten Jahren stattfinden würden“, sagt Balmann. Das sieht auch Lakner so: „Sollte diese Kürzung für einzelne Betriebe existenzgefährdend sein, dann lag diese Existenzgefährdung bereits vor der Kürzung latent vor und deutet auf bereits vorliegende ökonomische Schwierigkeiten hin.“

Dass Biobetriebe besonders stark betroffen sind, lässt sich aus dem Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung, aus dem die meisten Zahlen stammen, nicht ablesen. Im Gegenteil: Der durchschnittliche Öko-Haupterwerbsbetrieb bekam 2021/22 demnach 24 Euro pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche Agrardieselvergütung, der konventionelle aber 32 Euro. Das liegt Taube zufolge zum Beispiel daran, dass Biobetriebe im Schnitt weniger je Fläche ernten. „Ein Mähdrescher ist bei drei Tonnen Weizen pro Hektar schneller durch als bei zehn Tonnen“.

Der Zoll erstattet Agrarbetrieben auf Antrag ungefähr die Hälfte der Energiesteuer auf Diesel. Nach den Plänen der Ampelkoalition soll der Rabatt 2024 um 40 Prozent und bis 2026 auf null reduziert werden. Das soll wie andere Sparmaßnahmen dazu beitragen, das Haushaltsloch zu schließen, das infolge des jüngsten Verfassungsgerichtsurteils zur Schuldenbremse entstanden ist. Die Bundesagentur für Arbeit etwa muss 1,5 Milliarden Euro an den Bund zurückzahlen, was Beitragssenkungen unwahrscheinlicher macht.

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