Ein Herz für Autofahrer

CDU-Fraktionschef Stettner will die Zahl der Tempo-30-Abschnitte auf Hauptstraßen stark reduzieren. Der Koalitionspartner ist irritiert

Von Rainer Rutz

Geht es nach dem Willen von CDU-Fraktionschef Dirk Stettner, wird demnächst aufgeräumt bei den Tempo-30-Abschnitten auf Berlins Hauptstraßen. Auf gut 30 Straßen sollen bis Mitte 2024 die in den vergangenen Jahren angeordneten entsprechenden Geschwindigkeitsbegrenzungen zurückgenommen werden. „Es soll grundsätzlich Tempo 50 auf Hauptstraßen gelten“, schreibt Stettner in einem Papier für die CDU-Fraktion, das der taz vorliegt.

Betroffen wären unter anderem Teile der Potsdamer Straße und der Hauptstraße in Schöneberg, der Invaliden- und Torstraße in Mitte und des Tempelhofer Damms. Für Stettner ist die Sache klar: „Ein flächendeckendes Tempolimit von 30 km/h mag die Fantasie einiger selbsternannter Verkehrserzieher beflügeln. Berlins Hauptstraßen sind aber nicht Fantasia, sondern haben eine wichtige Funktion.“ Und die bestehe darin, einen effizienten Verkehrsfluss zu gewährleisten.

„Was da diskutiert wird, muss ich mir erst mal anschauen“

Manja Schreiner, CDU-Verkehrssenatorin

In Stettners Fraktionspapier, über das zuerst die B.Z. berichtet hatte, heißt es hierzu: „Auf Hauptverkehrsstraßen ist Tempo 30 daher in der Regel nicht sinnvoll, da es den Autoverkehr, den Wirtschaftsverkehr und auch die Busse der BVG verlangsamt.“ Daraus folgt für den Fraktionschef: Weg mit dem alten Verkehrswendeplunder. Stettner sagt: „Berlin muss mobil und agil sein.“

Nach seinem Vorstoß aus dem November, irgendwo in der Berliner Innenstadt eine Magnetschwebebahn errichten zu lassen, präsentiert sich Stettner damit erneut als eine Art Schatten-Verkehrssenator. Die eigentlich Zuständige gibt sich am Dienstag mit Blick auf die Details jedenfalls uninformiert. „Ich unterstütze natürlich die Pläne“, sagt CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner im Anschluss an die wöchentliche Senatssitzung zwar. Zugleich habe sie von dem Papier ihres Parteifreunds nur aus der Zeitung erfahren: „Was da genau diskutiert wird, muss ich mir dann erst mal anschauen.“

Das gilt offenkundig auch für den Koalitionspartner SPD. „Die jüngste Forderung des CDU-Fraktionsvorsitzenden kommt für mich mal wieder überraschend“, sagt Tino Schopf, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Ihm sei nicht klar, ob es sich nach den Schwebebahn-Fantasien des CDU-Politikers „nun um eine Fortsetzung aus der Rubrik ‚Stettner hat ne Idee‘ handelt“. Anders ausgedrückt: Ob daraus sobald etwas wird, steht in den Sternen.

Tempo 30? Teufelszeug!, sagt die CDU Foto: Florian Boillot

Tatsächlich weist der Umweltverband BUND darauf hin, dass für die Umsetzung von Stettners Vorhaben „Dutzende, wenn nicht Hunderte“ Ampelschaltungen umprogrammiert werden müssten. Das dauere schon jetzt „oft mehrere Jahre“, sagt Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin. Für Heuser ist die Idee dabei nichts weiter als „rückwärtsgewandte Symbolpolitik“. Denn angesichts der Verkehrsdichte dürfte sich „tagsüber für den Autoverkehr kein Geschwindigkeitsvorteil ergeben“. Schließlich bestimme vor allem der Rückstau an Kreuzungen das Tempo.

Bedenken dieser Art belasten Dirk Stettner nicht. Für ihn steht fest: „In den letzten Jahren sind Tempo-30-Strecken viel zu oft als bevormundende Umerziehungsmaßnahme verwendet worden.“ Das werde die CDU jetzt „korrigieren“.