Rechte Unterwanderung der Bauernproteste: Nur sauer oder rechtsextrem?

Der Bauernverband distanziert sich offiziell von rechten Versuchen, den Protest zu instrumentalisieren. Doch es sind extremistische Töne zu hören.

Landwirte protestieren mit einer Deutschlandfahne mit der Aufschrift ·Unser Land zuerst· vor der Siegerssäule

Bauernprotest in Berlin an der Siegessäule – hier mit Pegida-Flair Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Es ist die AfD, die beim Bauernprotest vor dem Brandenburger Tor in Berlin am Montag Anschluss sucht. Mehrere Bundestagsabgeordnete sind gekommen, auch der Vorsitzende der als rechtsextrem eingestuften Parteijugend, Hannes Gnauck, wird gesichtet. Flyer werden verteilt, an einem Kleinbus mit AfD-Logo auch geschmierte Stullen. Man stehe an der Seite der Landwirte, beteuert die Partei. „Der Hof brennt, die Ampel pennt.“

Auch andere versuchen am Montag nochmal an den Bauernprotest anzudocken, der mit der Großkundgebung sein vorläufiges Finale findet. Die rechtsextreme Kleinpartei „Freie Sachsen“ macht vor Ort Videos. Auch die Coronaprotestpartei „Die Basis“ hat ein Tischchen aufgestellt. Dazu sind diverse rechte Me­di­en­ak­ti­vis­t*in­nen da.

Schon zu Beginn der Bauernprotestwoche hatte die rechtsextreme Szene geballt mitmobilisiert und ihre Chance gewittert – von den „Freien Sachsen“ über den „III. Weg“ bis zum Identitären-Anführer Martin Sellner. Ausgerufen wurde ein „Tag des Widerstands“, verbunden mit Hoffnungen auf einen Generalstreik und Umsturzfantasien.

Und auch die AfD stellte sich früh hinter den Protest, nutzte diesen für ihre Attacken gegen die Ampel. „Wir sehen uns auf der Straße“, erklärte AfD-Strippenzieher Björn Höcke – obwohl seine Partei im Grundsatzprogramm erklärt, sie lehne „Subventionen generell ab“, also auch die für Landwirtschaft.

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Rukwied sieht Proteste „in rechte Ecke gedrängt“

Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hatte sich bereits zu Beginn der Protestwoche von Rechtsextremen distanziert. Am Montag beklagt er nun auf der Bühne, es sei versucht worden, den Protest „in die rechte Ecke zu drängen“, um ihn zu „delegitimieren“. „Das ist nicht gelungen, weil wir Bauern und Bäuerinnen aufrechte Demokraten sind.“

In Berlin aber säen einige Banner und Sprüche Zweifel an dieser Demokratietreue. Der Streit um Agrarsubventionen wird dort kaum noch thematisiert, stattdessen die Ampel und die Politik generell brachial attackiert. „Stoppt den Regierungswahnsinn“ oder „Grüne Welle brechen“, heißt es da. Auf einem anderen sind Bilder der Grünen Ricarda Lang und Cem Özdemir sowie Kanzler Olaf Scholz abgebildet, die als „Ratten“ bezeichnet werden, die man „loswerden“ müsse.

Dazu mischen sich Töne, die man etwa von Pegida-Protesten kennt. „Deutschland zuerst“, heißt es auf einer Fahne. „Unser Land, unsere Bauern“, auf einem Schild. „Wir sind das Volk“ skandieren die Teilnehmenden immer wieder. Etliche Deutschlandfahnen wehen. Beklagt wird, dass für Geflüchtete oder Waffenlieferungen an die Ukraine Geld da sei. Klar wird: Es sind nicht nur Landwirte, die sich dem Protest anschließen.

AfD-Mann durfte in Stuttgart sprechen

Zu Beginn der Proteste waren auch Galgen oder Flaggen der Landvolkbewegung gezeigt worden, die in den 1920er Jahren Anschläge auf Ämter verübte – auch dagegen hatte sich der Bauernverband verwahrt. Wie schwierig aber die Abgrenzung im Konkreten ist, zeigte sich etwa in Stuttgart. Dort durfte AfD-Mann Dirk Spaniel auf einer Bühne des Bauernverbands sprechen – als Privatmann, wie die Veranstalter betonten. Spaniel pries sodann den „Widerstand gegen die Regierung“ und verbreitete den Auftritt mit AfD-Logo auf Social Media Kanälen. Dennoch dankte auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag dem Bauernverband für seine Distanzierung von Rechtsextremen.

Die aber versuchten, die Proteste auch für eigene Aktionen zu nutzen. Zu der Blockade der Urlaubsfähre von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel mobilisierten auch Rechtsextreme mit. In Gera organisierten sie einen Protestzug, in Cottbus war es die AfD, in Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen waren es frühere Coronaprotestler. Und in Wittstock ging der „III. Weg“ mit einer eigenen Demo für den „Bauernstand“ und gegen das „BRD-System“ auf die Straße. In Hilchenbach (NRW) stellte die Partei einen Galgen mit einem Protestschild auf den Balkon ihres Parteibüros.

In Dresden schafften es die „Freien Sachsen“ gar auf einer Demonstration Tausende zu versammeln. Einer ihrer Redner erklärte dabei offen, es gehe schon lange nicht mehr um Agrarsubventionen, sondern darum, „endlich diese Politik zu beenden“. Von Bauern war dort wenig zu sehen, dafür reihten sich etliche Handwerker ein. Bei einer Demonstration des Bauernverbands in Dresden, zwei Tage später, wurden Rechtsextreme indes abgedrängt – was die „Freien Sachsen“ als „Eklat“ bezeichneten. Und auch Höcke beklagte ein „Spalten“ des Protests.

Der Identitäre Sellner hatte dagegen appelliert, sich erstmal strategisch im Hintergrund zu halten, um dem Eindruck entgegenzuwirken, man missbrauche die Proteste. Dass es ihm aber um mehr als die Bauern geht, macht auch er am Montag nochmal klar. „Heute demonstriert das Volk“, es gehe um dessen Zukunft, erklärte er in einem Posting über die Berlin-Demonstration. Die Proteste seien „massiv“ und die Bauern hätten „noch viel auf Lager“.

Verfassungsschutz sieht nur „Trittbrettfahrer“

Der sächsische Verfassungsschutz konstatierte zuletzt, die Bauernproteste hätten „ganz überwiegend nicht-extremistischen Charakter“ aufgewiesen. Auch in Dresden hätten etliche Teilnehmende den Protest verlassen, als Rechtsextremisten das Wort ergriffen. Auch der Verfassungsschutz NRW teilte am Montag der taz mit, Extremisten hätten an den Protesten nur „vereinzelt als Trittbrettfahrer“ teilgenommen. Es gebe keine Hinweise, dass die Bauern „positiv auf die extremistische Unterstützung reagieren“. Für eine Radikalisierung der Proteste gebe es „aktuell keine Anzeichen“.

Nicht nur am Montag wurde aber auch ersichtlich, dass einige Landwirte für weit rechte Parolen empfänglich sind. Und die organisierten Rechtsextremen halten an dem Thema fest. Schon jetzt bewirbt das rechtsextreme Compact-Magazin einen „Bauern-Aschermittwoch“ für Mitte Februar in Gera. Und auch die „Freien Sachsen“ verkündeten: „Wir lassen nicht nach.“ Der Bauernprotest sei „der Anfang einer neuen Protestwelle“. Es ist allerdings eine Ansage, die die Rechtsextremen schon öfter kundtaten.

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