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Lindner macht Bauern den Hof. Und bekommt einen Korb

Bei der Bauerndemo in Berlin wird Finanzminister Lindner trotz Anbiederungsversuchen gnadenlos ausgebuht. Auch ein Gespräch mit den Ampelfraktionen bringt keine Einigung. Der Protest geht weiter

Rot-Grün aufgespießt. Nun nehmen die Bauern auch noch FDP-Chef Lindner in die Mangel. Berlin, 15. Januar Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Aus Berlin Anna Lehmann
und Jost Maurin

Wie dialogbereit manche LandwirtInnen wirklich sind, hat sich bei der Bauerndemo am Montag in Berlin gezeigt: Von dem Moment an, als er ans Rednerpult trat, wurde Bundesfinanzminister Christian Lindner lautstark beschimpft und ausgebuht. Sogar nachdem Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied die Menge aufforderte, „ruhiger zu sein“. „Zur Demokratie gehört die Diskussion und da gehört das Zuhören dazu“, sagte Rukwied, aber das Pfeifen und Hupen stoppte nicht. Lindner musste brüllen, um sich einigermaßen Gehör zu verschaffen. Trotzdem war der FDP-Politiker einige hundert Meter entfernt von der Bühne am Brandenburger Tor kaum zu verstehen.

Einem großen Teil der rund 8.500 TeilnehmerInnen an der Demonstration von Landwirtschaft und Transportgewerbe gegen die Sparpläne der Bundesregierung war das offensichtlich egal. Sie riefen lieber „Hau ab!“, „Die Ampel muss weg“ oder „Lügner“. Selbst als Lindner sich auf Kosten „der Klimakleber“ bei den Landwirten anbiederte, übertönten sie ihn weiter. Die Klimaaktivisten hätten das Brandenburger Tor beschmiert, sagte der Minister, die Bauern hätten es „geehrt“. Die Medien sollten vor einer Unterwanderung der Klimabewegung durch Linksextremisten warnen, verlangte Lindner nach den Berichten darüber, dass Rechtsextremisten die Bauernproteste nutzten. Besonders laut wurden die Pfiffe, als Lindner auch mit dem russischen Angriff auf die Ukraine begründete, weshalb der Bund sparen müsse.

Der Finanzminister hatte keine große Chance bei den Landwirten, weil er ihnen nicht viel anbot. Ihre zentrale Forderung ist, dass sie weiter einen Rabatt bei der Energiesteuer auf Agrardiesel bekommen. „Es soll und es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben“, sagte Lindner. „Aber alle müssen ihren Beitrag leisten.“ Auch etwa der Flugverkehr werde künftig mit einer neuen Abgabe belastet und es werde Kürzungen der Leistungen für Asylsuchende und Bürgergeldempfänger geben. Staatshilfen und die Mehrwertsteuerreduzierung für die Gastronomie würden enden. Er wies zugleich darauf hin, dass es jährlich 9 Milliarden Euro Förderung aus Brüssel und Berlin gebe.

Zudem habe die Bundesregierung die ursprünglich geplante Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte zurückgenommen und die Abschaffung der Agrardieselsubvention verschoben. „Ihr Protest war also bereits erfolgreich“, so Lindner.

Er machte den Bauern vage Versprechungen, gegen zu strenge Umwelt- und Tierschutzregeln zu kämpfen. „Wenn der Agrardiesel ausläuft, dann müssen Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen“, ergänzte er. Lindner lehnte auch Vorschriften ab, wonach Landwirte auf einem Teil ihrer Agrarfläche der Natur Vorrang lassen müssen, wenn sie Subventionen bekommen wollen. Zu prüfen seien auch Erleichterungen bei der Einkommensteuer, wenn Gewinne von Jahr zu Jahr stark schwanken.

Bauernchef Rukwied hatte die Stimmung vor Lindners Rede angeheizt, indem er sich kompromisslos zeigte. „Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge zurück, dann ziehen wir uns zurück“, sagte Rukwied an die Adresse der Ampelkoalition. So lange die Sparpläne nicht vom Tisch seien, würden die Bauern ihr Demonstrationsrecht weiter in Anspruch nehmen, die wieder mit Tausenden von Traktoren nach Berlin-Mitte gekommen waren. Die Regierung müsse woanders sparen als beim Mittelstand, den Handwerkern oder Bauern.

„Die Klimakleber haben das Brandenburger Tor beschmiert, die Bauern haben es geehrt“

Christian Lindner, Finanzminister

Zum anschließenden Austausch mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP im Bundestag kamen die Bau­ern­ver­tre­te­r:in­nen zu spät – wegen der blockierten Straßen. In puncto Agrardieselsubvention gab es keinerlei Annäherung. Einigkeit herrschte aber, dass es darüber hinaus ein größeres Paket brauche, um den Land­wir­t:in­nen Planungssicherheit und eine Zukunftsperspektive zu geben. Bei dem Gespräch wurde Teil­neh­me­r:in­nen zufolge auch über eine Tierwohlabgabe und über fairere Bedingungen entlang der Lieferkette gesprochen. Die Ampelfraktionen wollen zum Donnerstag einen Fahrplan mit konkreten Schritten vorlegen. „Es mangelt definitiv nicht an Erkenntnissen, sondern an der Umsetzung“, so Theresa Schmidt, Bundesvorsitzende der Deutschen Landjugend.

Am Samstag wollen Bauern gemeinsam mit Umweltschützern in Berlin demonstrieren. „Wir erwarten am 20. Januar wie auch in den letzten Jahren 10.000 Demonstrant*innen“, sagte Inka Lange, Sprecherin des „Wir haben es satt“-Bündnisses, am Montag. Es fordert mehr Umwelt- und Tierschutz in der Landwirtschaft, aber auch „kostendeckende Erzeuger- und faire Bodenpreise“. Mitarbeit: Raoul Spada