Afghanistan unter den Taliban: Frauen „zahlen“ für Nato-Einsatz

Die Taliban bestreiten, dass ihr Regime politische Gefangene hat. Doch zugleich nehmen sie Frauen wegen „unzureichender Verschleierung“ fest.

Ein Taliban-Kämpfer steht Wache, während eine Frau vorbeiläuft.

Die Taliban nehmen vor allem in Kabul zunehmend Frauen wegen „unzureichender Verschleierung“ auf der Straße fest Foto: Ebrahim Noroozi/ap

BERLIN taz | Die Taliban haben erstmals bekannt gegeben, wie viele Menschen in ihren Gefängnissen sitzen: 19.000, davon 800 Frauen. Zugleich behaupten sie, es gebe im Land „keine“ politischen Gefangenen. Dort werde auch nicht gefoltert, sagte der Vizechef ihrer Gefängnisbehörde, Habibullah Badar, im talibankontrollierten Staatsfernsehen.

Damit werten die Taliban Frauen, die gegen ihre Unterdrückung opponieren oder gegen die strengen Bekleidungsvorschriften verstoßen, nicht als politische Gefangene.

Unter den gefangenen Frauen sind wahrscheinlich viele, die sich wegen genderbezogener Gewalt an die Behörden gewandt und „zu ihrem Schutz“ in Gefängnissen untergebracht wurden, wie die UNO im Dezember erfuhr.

Die UNO machte auch Anfang Januar über den Kurznachrichtendienst X bekannt, dass die Frauenrechtlerin Manizha Seddiqi sowie die Bildungsaktivisten Ahmad Fahim Asimi und Sadiqullah Afghan weiter in Taliban-Haft säßen. Die drei wurden im September und Oktober 2023 verhaftet.

Durch Schweigen Frauen freibekommen

Im Dezember ließen die Taliban drei Aktivistinnen frei, über eine vierte, Manizha Seddiqi, gab es widersprüchliche Informationen. Alle vier gehören zu Frauenrechtsorganisationen im Untergrund.

Gleichzeitig hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mitgeteilt, dass sie viele Fälle verhafteter Frauen nicht veröffentlichen könne, da deren Familien hofften, „dass Schweigen ihre Freilassung erkaufen oder Misshandlungen in der Haft verhindern könne“.

Laut Amnesty International haben verhaftete Frauen „keinen Zugang zu Verteidigern und regelmäßigen Familienbesuchen und seien dem Risiko von Folter und anderen Formen von Misshandlung“ ausgesetzt.

Suizid einer Frauenrechtlerin in Taliban-Haft

Wie sich die Taliban-Haft auswirken kann, zeigt der Suizid der Frauenrechtlerin Bi­bi Gul Anfang Januar in der nordafghanischen Stadt Kundus. Afghanische Quellen berichteten, die 21-Jährige sei im September 2021 nach einem Straßenprotest verhaftet und gefoltert worden. Seitdem habe sie psychische Probleme gehabt, auch weil ihre Familie sie nach Taliban-Drohungen unter Druck gesetzt habe, von ihren Aktivitäten abzusehen.

Seit vergangener Woche nehmen die Taliban zudem vor allem in Kabul Dutzende Frauen wegen „unzureichender Verschleierung“ auf der Straße fest. Sie wurden, zum Teil unter Schlägen, auf Lkws abtransportiert. Dabei kamen auch Polizistinnen zum Einsatz. Die Kampagne begann im vorwiegend von schiitischen Hasaras bewohnten Westen der afghanischen Hauptstadt, dehnte sich aber später auf deren Norden aus.

Ähnliche Berichte kamen aus dem Distrikt Dschaghori in der Provinz Ghasni sowie der Provinzhauptstadt von Daikundi, Nili. Auch das sind vorwiegend von Hasaras bewohnte Gebiete. Die Taliban bestätigten die Festnahmen, machten jedoch keine Angaben zu deren Zahl. Damit würden „die öffentliche Ordnung und gesellschaftliche Werte gewahrt“.

Die im Exil lebende afghanische Frauenrechtlerin Wazhma Frogh schrieb auf X, die Taliban hätten Festgenommenen gesagt, dass sie „dafür zahlen müssten, dass sie es den USA und der Nato erlaubt hätten, sie zu bombardieren und anzugreifen“. Sie hätten den Frauen vorgehalten, mit Menschen aus dem Westen „in derselben Stadt gelebt und gearbeitet zu haben, mit ihnen gegessen und ihre Agenda unterstützt zu haben“.

Der afghanische BBC-Reporter Moheb Mudessir berichtete bei X, ein Taliban-Sprecher habe ihm mitgeteilt, dass alle festgenommen Frauen nach zwei Stunden wieder freigelassen worden seien. Mudessir sprach auch von Vorwürfen von Misshandlungen, die der Sprecher zurückgewiesen habe.

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