Opposition demonstriert in Polen: Hass und Hetze in Warschau

Anhänger der nationalpopulistischen Ex-Regierungspartei PiS demonstrieren in der Hauptstadt. Parteichef Jarosław Kaczyński ist wieder in Hochform.

Eine Gruppe von Menschen. Ein Mann spricht in ein Mikropfon.

Jarosław Kaczyński, Vorsitzender der PiS-Partei, spricht während einer Demonstration vor dem polnischen Parlament Foto: Marcin Obara/PAP/dpa

Warschau taz | Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht unter den Demonstranten am Donnerstag vor dem Parlament in Warschau: Polens Präsident Andrzej Duda will nun doch die zwei wegen Amtsmissbrauch verurteilen PiS-Politiker Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik begnadigen.

Er habe den Begnadigungsprozess bereits eingeleitet, versicherte Duda den beiden Ehefrauen vor laufenden Kameras und forderte den Generalstaatsanwalt Adam Bodnar aus der neuen Mitte-links-Regierung auf, die seit zwei Tagen im Gefängnis sitzenden Straftäter schon jetzt freizulassen – während das Begnadigungsverfahren noch andauere. Dennoch skandierten auf der Demo viele Anhänger der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS): „Hier ist Polen, nicht Belarus!“ und „Keine politischen Gefangenen!“ sowie „Wir werden siegen!“

Duda hatte sich tagelang wortreich geweigert, die beiden PiS-Politiker, die am 20. Dezember 2023 von einem Berufungsgericht wegen Urkundenfälschung und Amtsmissbrauchs rechtskräftig zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden waren, erneut zu begnadigen.

Denn schon 2015 hatte er den damaligen Chef der Antikorruptionsbehörde und seinen Stellvertreter nach dem Gerichtsurteil in erster Instanz begnadigt, da beide wichtige Posten in der damaligen neuen PiS-Regierung von 2015 übernehmen sollten.

Propagandistisch ausgenutzt

Allerdings war damals der Berufungsprozess in zweiter Instanz noch anhängig, die beiden Angeklagten also formal noch „unschuldig“. Unschuldige aber kann der Präsident nicht begnadigen, sind die meisten Juristen überzeugt. Doch Duda behauptete seit 2015, dass es in seinem Ermessen als Präsident liege, in welcher Phase eines Prozesses er die Angeklagten begnadige.

In der aktuellen politischen Situation nutzte die PiS propagandistisch die „politischen Gefangenen“ aus und behauptete, dass die neue Mitte-links-Regierung, die die Parlamentswahlen am 15. Oktober gewonnen hatte, Polen in eine Diktatur verwandeln wolle – so wie einst die Kommunisten.

Umfragen zeigten allerdings, dass die meisten Polen dieser PiS-Erzählung keinen Glauben schenkten. Daher wohl die überraschende Kehrtwendung Dudas. Wahrscheinlich werden Kamiński und Wąsik aufgrund der erneuten Begnadigung durch Duda schon in einer Woche wieder auf freiem Fuß sein.

Allerdings werden die beiden, die in den Jahren 2005 bis 2007 versucht hatten, dem linken Bauernführer und damaligen Vizepremier Andrzej Lepper eine Korruptionsstraftat anzuhängen, die dieser nicht begangen hatte, ihre Abgeordnetenmandate nicht zurückerlangen. Diese haben sie automatisch mit dem rechtskräftigen Urteil verloren, wie in Polens Verfassung und Polens Wahlordnung geregelt ist. Dennoch behauptete Duda, dass sie mit der Entlassung aus dem Gefängnis erneut ihr Abgeordnetenmandat aufnehmen könnten.

Aus dem ganzen Land

„Wir sind unglaublich viele“, rief PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński den Demonstranten zu. Nach Parteiangaben waren rund 200.000 PiS-Anhänger aus dem ganzen Land nach Warschau gekommen. Von lediglich 30.000 Demonstranten sprach dagegen der Privatsender TVN24.

„Wir protestieren gegen die faktische Liquidierung unseres Staates“, wiederholte Kaczyński seine These. „Denn das ist der Plan der EU. Wir sollen alles verlieren, das Recht auf unsere Außen- und Sicherheitspolitik, das Recht auf unsere Währung. Das ist ein großer Plan gegen Polen, ein deutscher Plan, ein französischer Plan. Wir müssen den großen Kampf gegen das souveräne Polen gewinnen!“, rief Kaczyński. Die Masse skandierte wie zur Antwort: „Wir werden siegen! Wir werden siegen!“

Dann ergriff Kaczyński erneut das Mikrofon: „Um zu siegen, müssen wir diese Regierung von der Macht vertreiben – mit dem Wahlzettel, aber so, dass sie nie wieder zurück an die Macht kommen. Denn das ist keine polnische Regierung. Diese würde Polen verteidigen.“

In der eisigen Luft klirrte seine Stimme aus den Lautsprechern. Auf dem Platz vor dem Parlament machte sich Unruhe breit. Die Demonstranten froren. Nach einer kurzen Pause setzte Kaczyński hinzu: „Wir verteidigen Polen und die anderen Nationen Europas vor dem Imperialismus Deutschlands. Der Versuch der großen Pazifizierung Polens darf nicht gelingen.“

Wahl muss nicht wiederholt werden

Kurz vor Beginn der Demonstration entschied die von der PiS gegründete Kammer für außerordentliche Kontrolle und öffentliche Angelegenheiten am Obersten Berufungsgericht, dass die letzten Wahlen gültig sind und nicht wiederholt werden müssen. Die meisten Juristen Polens wie auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg halten die Kammer für illegal.

Anders als die meisten Demonstranten kannte Kaczyński schon das Urteil und kritisierte es. „Die Wahlen waren oft nicht geheim. Wir haben eine schwere Zeit vor uns“, rief er den Demonstranten zu, bevor diese sich auf den Weg zum Sitz des Premierministers machten.

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