Kosten der Energiewende: Klimaschutz gegen Schuldenbremse

Klimaschutz kostet Geld. Mögliche Konsequenzen: Höhere Abgaben oder mehr Staatsschulden, heißt es in einer neuen wissenschaftlichen Untersuchung.

Unbelaubte Bäume und Windräder

Windräder bei Erkelenz: Soll der Klimaschutz bei gleichzeitiger Erhaltung der Arbeitsplätze klappen, braucht es mehr Geld Foto: Marc John/imago

BERLIN taz | Neben vielen Details geht es in der Haushaltswoche des Bundestages immer auch um die großen Fragen. Nicht viel darunter macht es entsprechend eine gemeinsame Presseerklärung der Industriegewerkschaft IGBCE sowie der Umweltverbände Deutscher Natursschutzring, Germanwatch und WWF Deutschland. Darin mahnen sie an, dass sich „dringende Zukunftsaufgaben wie die Klimaschutz-Transformation mit einem ‚Weiter so‘ in der Finanz- und Haushaltspolitik nicht zu lösen“ sein werden. Konkret heißt das: Soll der Klimaschutz bei gleichzeitiger Erhaltung der Arbeitsplätze klappen, braucht es mehr Geld.

Zwar bedarf es nach Ansicht der Organisationen dazu auch der Unterstützung aus der Privatwirtschaft. „Aber: Die öffentliche Hand muss massiv in Infrastruktur und Bildung investieren“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland. Sie fordern daher die Bundesregierung und die demokratischen Parteien auf, „Optionen wie eine Reform der Schuldenbremse, ein Sondervermögen für Klimaschutz und die Stärkung der Einnahmenseite vorurteilsfrei zu prüfen“.

Rückenwind bekommen die Verbände aus der Wissenschaft: So richtet das Institut für Wirtschaftsforschung Halle eine grundsätzliche Botschaft an die Bundesregierung. Ohne höhere Steuern oder mehr Staatsschulden seien die Investitionen für die Energiewende und die Kohlendioxid-Minderung bis 2030 wohl nicht zu bezahlen, schreiben die ForscherInnen in einer bereits Mitte Januar veröffentlichten Studie mit dem Titel „Grüne Transformation und Schuldenbremse“.

Ein zentraler Satz lautet: „Die zusätzlichen staatlichen Ausgaben für öffentliche Investitionen und Fördermaßnahmen werden nicht aus dem zu erwartenden Steueraufkommen finanzierbar sein.“ Dieser Befund steht im Gegensatz zur Politik von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Er sagt: Geld sei genug vorhanden, es müsse nur anders verteilt werden. Höhere Steuern oder mehr Schulden lehnt er offiziell ab.

100 Milliarden Euro jährlich für Investionen

Das Hallenser Institut hat untersucht, welche finanziellen Konsequenzen die Klimapolitik in den kommenden Jahren auslöste, würde sie wie geplant umgesetzt. Um den klimaschädlichen Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 um zwei Drittel gegenüber 1990 zu verringern, seien pro Jahr Investitionen von 2,5 Prozent des BIP nötig, heißt es. Das wären Ausgaben von etwa 100 Milliarden Euro jährlich, aus privaten und staatlichen Quellen. Die Mittel werden zum Beispiel benötigt, um die Strom-, Gas- und Schienennetze auszubauen und Millionen Gebäude mit neuen Heizungen auszustatten.

Das Kapital fällt nicht vom Himmel. Es muss aufgebracht und refinanziert werden. Das heißt zum Beispiel: Unternehmen geben ihre Kosten für Investitionen in Form höherer Preise an die Kunden weiter – an Privathaushalte und Firmen. Der Staat hat ebenfalls einen steigenden Finanzierungsbedarf, den er durch steigende Steuern und Abgaben befriedigen könnte. So will die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP zum Beispiel den Kohlendioxidpreis anheben und die Subvention für Agrardiesel auslaufen lassen. Angesichts dieser Perspektiven stellt das Hallenser Institut die Frage, ob und wann die Schmerzgrenze der Privathaushalte und Firmen erreicht sein werde.

Und skizziert einen Ausweg: höhere Staatsschulden. „Der sich gegenwärtig abzeichnende Weg zusätzlicher öffentlicher Investitionen bei Verzicht auf zusätzliche Staatsverschuldung wird auf Dauer vermutlich schwer durchzuhalten sein.“

Der Sachverständigenrat für Wirtschaft macht sich ebenfalls Sorgen darüber, dass künftig nicht genug Mittel für wichtige Aufgaben wie Sicherheit und Klimapolitik vorhanden sein könnten. Die Wirtschaftsweisen, ein wichtiges Beratungsgremium der Bundesregierung, rät deshalb zu einer Reform der Schuldenbremse. Die augenblickliche Regelung im Grundgesetz „beschränkt die fiskalischen Spielräume für zukunftsgerichtete Ausgaben unnötig stark“, schreiben die fünf ProfessorInnen in ihrer aktuellen Stellungnahme.

Sie plädieren erstens dafür, die wegen einer Notlage erlaubte höhere Verschuldung nicht abrupt auf Normalmaß zu senken, sondern über mehrere Jahre allmählich abzuschmelzen. Der zweite Vorschlag der Wirtschaftsweisen lautet, die Kreditobergrenze zu staffeln. Liegt die Gesamtschuldenquote des Staates unter 60 Prozent des BIP, also im niedrigen, gefahrlosen Bereich, soll ein Prozent neuer Kredite gestattet sein. Zwischen 60 und 90 Prozent Schuldenquote wären es 0,5 Prozent. Der zusätzliche Spielraum, den die Regierung jetzt nutzen könnte, betrüge damit etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr. Erst wenn die Gesamtverschuldung mit über 90 Prozent ein bedenkliches Niveau erreicht, würden die 0,35 Prozent gelten. Dieser Wert gilt heute grundsätzlich, unabhängig vom Schuldenstand.

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