Parteichef Tino Chrupalla wohl dabei: AfD-Geheimtreffen kein Einzelfall

Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern gab es offenbar schon öfter. Auch Chrupalla war wohl bei einer „Investorenrunde“ im Herbst 2021.

Aktivist*innen vom Zentrum für politische Schönheit fordern mit einer Aktion vor dem Kanzleramt das AfD-Verbot, sie zeigen dafür KI-Bilder von Chrupalla und Weidel hinter Gittern mit Kapuze

Ruf nach einem Parteiverbot: Aufgeflogene Geheimtreffen zwischen AfD, Neonazis und Unternehmern haben Verbotsforderungen gestärkt Foto: Monika Skolimowska/dpa

BERLIN taz | Das aufgeflogene Geheimtreffen zwischen Unternehmern, AfD-Politikern und Neonazis war offenbar kein Einzelfall. Das Treffen in einer Villa am Lehnitzsee in Potsdam von November 2023, bei dem Teil­neh­me­r*in­nen 5.000 Euro spenden sollten und wohlwollend über die millionenfache Deportation Deutscher mit Migrationshintergrund diskutiert wurde, könnte eine regelmäßige Runde gewesen sein.

Das legen Mails nahe, über die zuerst Spiegel und Zeit berichtet haben: Demnach soll auch AfD-Parteichef Tino Chrupalla Anfang Oktober 2021 an einem Treffen des sogenannten „Düsseldorfer Forums“ teilgenommen haben. In den vom Hackerkollektiv Anonymous geleakten Mails ist die Rede davon, dass eine Zusammenkunft mit Chrupalla bereits die „5. Düsseldorfer Runde“ gewesen sei.

Auch hier soll der rechtsextreme Zahnarzt Gernot Mörig die Runde organisiert haben. Im Entwurf für ein Rundschreiben bedankte sich Mörig nach dem aus seiner Sicht gelungenen Treffen ausdrücklich beim AfD-Parteichef, der nur wenige Wochen nach dem Bundestagswahlkampf Zeit gefunden habe, „um vor einem kleinen privaten Kreis völlig unkompliziert und glaubwürdig ‚Rede und Antwort‘ zu stehen“.

Daraus geht auch hervor, dass am 15. Oktober 2022 noch eine weitere Zusammenkunft geplant war, sodass das vom Recherchekollektiv Correctiv aufgedeckte Geheimtreffen mit dem Neonazi-Ideologen Martin Sellner in Potsdam bereits das siebte gewesen sein könne. Beim Treffen mit Chrupalla Anfang Oktober ging es offenbar um Investitionen in einen rechten TV-Sender, der dann allerdings floppte. Der AfD-Parteivorsitzende Chrupalla wollte auf taz-Anfrage nichts zu dem Treffen sagen.

„Extrem potent in Finanzdingen“

Was dort über den TV-Sender hinaus diskutiert wurde, ist unklar. Mörig schrieb in seiner Dankesmail lediglich von „positiver Resonance“ (Fehler im Original), die am „privaten, fast familiären Charakter“, den „vorgestellten Projekten“ und „starken Referenten“ gelegen hätte. Man habe sich „einfach im Kreise niveauvoller Patrioten wohl“ fühlen, das Netzwerk erweitern und gute Projekte unterstützen können. Einen konkreten Spendenaufruf inklusive Bankverbindung gab es ebenfalls.

In einer anderen von Anonymous geleakten Mail wird das Netzwerk als „Investorenrunde“ bezeichnet, die aus rund 25 Leuten bestehe, „darunter extrem potente Menschen in Finanzdingen“. Einige der sehr reichen Teilnehmer seien Ende 70 und Anfang 80, hätten keine Kinder und wollten „sinnvolle Projekte“ fördern, heißt es da. Insgesamt liege der Altersschnitt bei 60.

Auch der ehemalige Vorsitzende des CDU-nahen Vereins Werteunion, Max Otte, soll zu den Kontakten des rechtsextremen Zahnarztes Mörig gehören, wie aus anderen Mails des Hacker-Kollektivs Anonymous hervorgeht. Otte, der sich stets bemühte, eine Scharnierfunktion zwischen Rechtsextremen und Rechtskonservativen innerhalb und jenseits der CDU einzunehmen, kandidierte 2022 erfolglos als Bundespräsident für die AfD – danach hat ihn die CDU aus der Partei geschmissen. Mehrfach hatte auch er der AfD hohe Geldbeträge gespendet.

Deportationspläne auch kein Einzelfall

Ob auch beim Chrupalla-Treffen bereits großangelegte Deportationspläne diskutiert wurden, ist unklar. Allerdings gab es ein anderes, offiziell bekanntes Treffen, bei dem entsprechende Pläne diskutiert wurden – hier waren ebenfalls Tino Chrupalla, Alice Weidel und der gesamte Bundesvorstand anwesend: Auf dem AfD-Europaparteitag in Magdeburg im August 2023 forderte Irmhild Boßdorf im offenen Widerspruch zum Rechtsstaat „millionenfache Remigration und Pushbacks, egal, was der Europäische Gerichtshof dazu sagt!“ Sie bekam Szenenapplaus und wurde danach mit rund 76 Prozent gewählt.

Gewaltsame Deportationen unter dem verharmlosenden Stichwort „Remigration“ hatte auch der Chef der völkischen AfD-Strömung, Björn Höcke, schon 2019 in seinem Buch angekündigt. Darin forderte er „ein großangelegtes Remigrationsprojekt“ mit „wohltemperierter Grausamkeit“.

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