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Maaßenweise Belege

Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen ist nun selbst Beobachtungsobjekt des Geheimdiensts. Dort wird er im Bereich Rechtsextremismus gespeichert. Ampel-Politiker fordern dienstrechtliche Konsequenzen

Wind von rechts: Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungs­schutz im Jahr 2014 Foto: Andreas Pein/laif

Von Konrad Litschko

Erst vor anderthalb Wochen stand Hans-Georg Maaßen auf der Bühne eines kleinen Erfurter Theaters. Alle Parteien in Deutschland seien im Grunde Sozialisten, geißelte der 61-Jährige dort. Man erlebe „die schlimmsten Regierungen, die wir in unserer Geschichte je hatten“. Es herrsche eine „irre Klimapolitik“, eine „ökosozialistische Kommandowirtschaft“, die Coronapolitik habe „unsägliches Leid“ hervorgerufen. „Wir haben nicht mehr viel Zeit, um Deutschland vom Kopf auf die Füße zu stellen.“

Maaßen sprach auf der Mitgliederversammlung der bis dahin CDU- und CSU-nahen Werteunion, die in Erfurt ihre Parteigründung beschloss – und erntete breiten Applaus. Dort legte er noch einmal sein ganzes Weltbild offen. Ein Weltbild, welches das Bundesamt für Verfassungsschutz inzwischen als verfassungsfeindlich einstuft.

Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass Maaßen, der von 2012 bis 2018 das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geleitet hatte, dort nun selbst als Rechtsextremist geführt wird. Auf Anfrage von Maaßens Anwalt hatte das BfV seinen ehemaligen Präsidenten schon Mitte Januar über dessen Erfassung in nachrichtendienstlichen Informationssystemen informiert. Nachdem Medien Maaßen dazu angefragt hatten, machte dieser selbst das 20-seitige Schreiben öffentlich, in dem die gespeicherten Äußerungen von Maaßen aufgelistet sind.

Am Donnerstag löst das nochmal Fassungslosigkeit aus – die Entwicklung vom obersten Verfassungsschützer zum Verfassungsfeind. Und eine Debatte, wie damit nun umzugehen ist. JU-Chef Johannes Winkel erklärt, „nicht jeder Spinner ist ein Rechtsextremist“. In den Ampel-Fraktionen aber dominiert die Forderung nach dienstrechtlichen Konsequenzen für Maaßen, der weiter Beamter im Ruhestand ist – und für den dort zwar nicht mehr das Mäßigungsgebot gilt, aber weiter eine Verfassungstreuepflicht. „Es ist eine Schande, dass jemand, der einmal einer der obersten Verfassungshüter war, nun anscheinend selbst gegen diese arbeitet“, sagt die SPD-Innenpolitikerin Carmen Wegge der taz. Maaßens Agieren sei „eines ehemaligen politischen Beamten unwürdig“. „Ich finde deshalb die Prüfung von Disziplinarmaßnahmen richtig.“ Auch der Grünen-Abgeordnete Marcel Emmerich sagte gegenüber der taz: „Jetzt ist es erforderlich, dienstrechtliche Konsequenzen ins Auge zu fassen.“

Zuständig ist hier das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD). Das sich am Donnerstag zum Fall Maaßen indes zugeknöpft gibt. Zu internen Personalangelegenheiten könne man sich nicht äußern, so eine Sprecherin.

Die Linke Martina Renner fordert da aber längst eine weitere Aufarbeitung der Maaßen-Dienstzeit, allen voran mit einem Untersuchungsausschuss im Bundestag. In den Ampelfraktionen gibt man sich hier zurückhaltend. Der Grüne Emmerich räumt aber ein, dass die Einstufung Maaßens „ein Alarmzeichen“ sei und „viele Fragen hinsichtlich seiner Amtszeit aufwirft“.

Dabei war Maaßen mal mit einem ganz anderen Auftrag gestartet. Im Sommer 2012 war der Jurist Präsident des Bundesverfassungsschutzes geworden, nachdem sein Vorgänger Heinz Fromm nach dem NSU-Desaster zurücktrat. Maaßen kam aus dem Bundesinnenministerium, kümmerte sich dort um Zuwanderung und fiel als akribischer, aber kühler Bürokrat auf. Als der Bremer Murat Kurnaz im US-Gefangenenlager Guantánamo festsaß, erklärte er dessen Aufenthaltserlaubnis in Deutschland als verfallen, da er sich nicht mehr bei den deutschen Behörden gemeldet habe. Im Verfassungsschutz sollte Maaßen nun wieder Vertrauen aufbauen.

Schon in seiner Amtszeit aber sorgte er für Diskussionen. So zögerte er eine Einstufung der AfD als Prüffall hinaus und soll deren frühere Chefin Frauke Petry beraten haben, wie ihre Partei einer Beobachtung entgehen könnte. 2018 musste Maaßen seinen Posten schließlich räumen, nachdem er bei den rechtsextremen Unruhen von Chemnitz Hetzjagden bestritten und von „linksradikalen Kräften“ in der SPD gesprochen hatte.

Nach seiner Versetzung in den Ruhestand fiel Maaßen mit immer neuen, weit rechten Äußerungen in Interviews, Aufsätzen oder Social-Media-Postings auf. Politisch blieb Maaßen aber bis vor Kurzem CDU-Mitglied. Noch 2021 trat er für die Partei in Südthüringen zur Bundestagswahl an, verlor dort aber gegen einen SPD-Mann. Im vergangenen Jahr reichte es auch der CDU-Parteiführung, sie beantragte einen Parteiausschluss und warf ihm eine „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen“ vor. Schon zuvor hatte Maaßens Nachfolger im Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, „sehr radikale Äußerungen“ attestiert, die er nur „vom äußersten rechten Rand politischer Bestrebungen“ kenne.

Nach der Versetzung in den Ruhestand fiel Maaßen mit weit rechten Äußerungen auf

Nun also stufte das Bundesamt Maaßen auch formal ein. In seinem Schreiben an dessen Anwalt verweist es dafür auf Paragraf 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes: Dort heißt es, dass das Amt Informationen zusammentragen darf zu Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. In dem Brief listet der Verfassungsschutz Äußerungen von Maaßen auf, in denen er Geflüchtete als „Goldstücke“ titulierte, welche hierzulande Deutsche „ersetzen“ sollten – es ist das rechtsextreme Narrativ des „Großen Austauschs“. Auch würden sich die „hunderttausende und Millionen Ausländer“, die ins Land kämen, „niemals, niemals in unsere Gesellschaft eingliedern“. Aufgeführt wird auch Maaßens Behauptung eines „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“. Zudem verweist der Verfassungsschutz auf seinen Aufsatz im neurechten Cato-Magazin, der laut Fachleuten „antisemitische Narrative“ enthalte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich zu der Einstufung von Maaßen nicht äußern. Zu Einzelpersonen äußere man sich aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht, so eine Sprecherin.

Maaßen tat das Verfassungsschutzschreiben ab. Dieses enthalte „keinerlei substantiierte Belege, die eine Beobachtung rechtfertigen“, erklärte er auf X, vormals Twitter. Die Bundesregierung habe aber „offenkundig Angst vor mir“. Innenministerin Faeser missbrauche den Verfassungsschutz zur Bekämpfung politischer Gegner.

Maaßen verweist damit auf sein neues Parteiprojekt, die Werteunion. Seit einem Jahr ist Maaßen dort Vorsitzender, als Partei schließt er eine Zusammenarbeit mit der AfD explizit nicht aus. Schon bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst soll die Partei an den Start gehen.