Trump, Putin, Netanjahu: Nochmal einen Abgrund gruseliger

Eine bunte Auswahl an begründeten Ängsten: Humanitäre Krise in Rafah, eine gespenstische Debatte über Atomwaffen und Algorithmen, die nie vergessen.

Alexej Nawalny blickt ernst zur Seite

Alexej Nawalny im Juli 2019 Foto: Pavel Golovkin/AP/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die bunte Auswahl zwischen sehr begründeten Ängsten.

Und was wird besser in dieser?

Irgendein Plan.

Donald Trump würde nach eigenen Aussagen Nato-Mitgliedsstaaten nicht vor Russland schützen, wenn sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Werden die Amerikaner ihn wirklich erneut zum Präsidenten wählen?

Andere Zuhälter argumentieren genauso: Schaff Kohle ran, sonst kann ich dich nicht beschützen. Dass wir darauf eine gespenstische Debatte um Atomwaffen lostreten, deutet erst mal auf Versäumnisse im deutsch-französischen Verhältnis. Die haben welche, und seit ungefähr de Gaulle immer wieder eine eigene europäische Verteidigung vorgeschlagen. Teils auch außerhalb der Nato. Und dass wir uns eher eine eigene Bombe basteln als eine Außenpolitik unabhängig von den USA, ist das schlimmere Versäumnis. Egal, wer die US-Wahl gewinnt.

Putin hat neben Estlands Regierungschefin nun auch einen FDP-Politiker auf eine Fahndungsliste gesetzt. Kennt er gar keine Grenzen mehr?

Dass Alexei Navalnys Tod bekannt gegeben wird an dem Tag, an dem eine Rede seiner Frau Julija Navalnaja bei der Münchener Sicherheitskonferenz angekündigt war, ist nochmal einen Abgrund gruseliger als alles zuvor. Putin hatte, solange Russland dort noch gelitten war, beherzt rumgestänkert; nun kommt gerade mal ein Menschenleben zupass, seine Nicht-Einladung zu kommentieren. Das russische Regime stellt eine Situation her, die unter den Beteiligten nicht mehr heilbar ist; vielleicht noch mit einem Präsidenten Trump, der schon die Vergiftung Navalnys mit Zweifeln wegdröhnen wollte. Beide behandeln „den Westen“ als etwas, das nicht mehr existiert.

Israel bereitet sich auf einen Militäreinsatz in Rafah vor, Experten warnen vor einer drohenden humanitären Katastrophe. Gibt es einen Ausweg?

Wenn es das Ziel des Hamas-Terrors war, Israel selbst von seinen treuesten Freunden zu entfremden, hat der Terror das erreicht. Die USA und im Gefolge Deutschland bestehen auf und arbeiten an der „Zwei-Staaten-Lösung“. Im offenen Konflikt mit Netanjahus Koalition. Der besteht auf seiner Offensive, selbst wenn die Hamas nun die Geiseln freigeben und die Waffen strecken würde. In anderen Worten: Es gibt keinen Ausweg mit Netanjahu.

ChatGPT wird sich künftig Informationen über UserInnen merken können. Gut oder gefährlich?

Eine Funktion, die ich an vielen Mitmenschen schmerzlich vermisse. Zudem soll man das Gedächtnis von ChatGPT nach Belieben abschalten können. Eine Funktion, die ich an vielen Mitmenschen erst recht vermisse. Die Herstellerfirma OpenAI wählt Beispiele wie „Male mir eine Geburtstagskarte für meine Tochter“ und „Helfe einer Kindergärtnerin“. Da soll das Denkding dann etwas Hübsches aus seinen Erinnerungen zusammenkramen können. Die KI ist uns beim Überlegen überlegen, aber mittelfristig macht sie mehr Angst vor Menschen, die nicht so gut funktionieren.

Meta will politische Inhalte auf ihren Plattformen einschränken. Wer darf bestimmen, was politisch ist und was nicht?

Es wirkt ein bisschen unterzufällig, dass der „Digital Services Act“ der EU Mitte Februar in Kraft trat – er verpflichtet alle Anbieter zu „Risikoanalyse und Risikominimierung“. Jedenfalls baut Meta eine Empfehlung „politischer Inhalte“ auf eine „opt-in“ Lösung um. Ähnlich ging es vor ein paar Jahren: Die EU erzwang, dass „personalisierte Werbung“ – sprich aggressiver Datenhandel – das ausdrückliche Einverständnis der User erfordert. Wer also künftig Meinungsdurchfall, Hassrede, Ramschprodukte und ein eigenes Stasiprofil möchte, muss das ausdrücklich anklicken. Für Meta ist es eine ­Einschränkung des Geschäftsmodells. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.

Die Polizeigewerkschaft will Traktor-Demos verbieten. Richtig so?

Muss man nicht verbieten, isses schon. Die Steuerbefreiung gilt für landwirtschaftliche Nutzung der Traktoren: Auf dem Acker und hin- und zurück. Eben, weil sie dann die Infrastruktur drumherum nicht nutzen. Eine „zweckfremde Benutzung“ – Grüne schubsen, Autobahnen sperren, so was – ist dem Hauptzollamt „unverzüglich anzuzeigen“. Dann sind „mindestens für einen Monat“ nach § 5 Absatz 2 Satz 4 KfStG Steuern zu zahlen. Interessante Schlamperei also bei der Polizei – Pressemitteilungen schreiben statt Knöllchen.

Und was machen die Borussen?

Die Fanproteste gegen den Investoreneinstieg führen dazu, dass die streng korsettierten BuLi-Radiosendungen plötzlich atmen. Wo spielt warum gerade wer oder nicht? Unbedingt so weitermachen. Fragen: Livio Koppe, waam

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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