Ihre Flucht endet in Kreuzberg

Seit 30 Jahren wird nach den einstigen RAF-Terroristen Klette, Staub und Garweg gefahndet. Am Dienstag wurde Klette in Berlin festgenommen

Portrait der RAF-Terroristin Daniela Klette von 1988

Seit 30 Jahren wurde nach Daniela Klette gefahndet, auch mit diesem Bild von 1988 Foto: BKA/ap

Von Konrad Litschko

Auch am Dienstag ist der Eingang des grauen, siebenstöckigen Mietshauses in einer ruhigen Seitenstraße in Berlin-Kreuzberg noch mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Über Stunden durchkämen Po­li­zis­t*in­nen dort eine Wohnung, sichern jede Spur. Tags zuvor war hier eine Frau festgenommen worden, die mit zwei Weggefährten seit mehr als 30 Jahren von der Polizei gesucht wurde: Daniela Klette, einst RAF-Terroristin. Eine der letzten, die noch flüchtig war.

Klette gehörte zur letzten, zur dritten RAF-Generation, die unter anderem für Morde an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen und Treuhand-Präsident Detlev Rohwedder verantwortlich war. Sie selbst soll 1990 an einem Anschlag auf die Deutsche Bank in Eschborn, ein Jahr später auf die US-Botschaft in Bad Godesberg beteiligt gewesen sein. 1993 wurden von ihr DNA-Spuren beim Sprengstoffanschlag auf die im Bau befindliche JVA Weiterstadt in Hessen gefunden, ebenso von den RAF-Mitstreitern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg. Im Anschluss verschwand das Trio.

Nach dem Abtauchen sollen die drei von 1999 bis 2016 sechs Überfälle auf Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen verübt haben, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Mehr als 2 Millionen Euro sollen dabei erbeutet worden sein. Die Fahndung wurde mit enormem Aufwand betrieben. Anfangs ermittelte die Bundes­anwaltschaft, am Ende die Staatsanwaltschaft Verden. 150.000 Euro wurden für Hinweise auf das Trio ausgelobt. Erst vor wenigen Tagen wurde der Fall auch nochmal über die ZDF-Sendung „Aktenzeichen X … ungelöst“ ausgestrahlt, 250 Hinweise trudelten danach ein.

Auf einer am Dienstag eilig einberufenen Pressekonferenz berichtete Niedersachsens LKA-Präsident Friedo de Vries, dass ein anderer Tipp entscheidend war. Im November 2023 habe man einen Hinweis aus der Bevölkerung auf die Wohnung in Berlin erhalten. Nach mehreren Überwachungsmaßnahmen sei man sich sicher gewesen, dass dort Klette lebte. Bei der Festnahme am Montag durch niedersächsische Zielfahnder und Berliner Polizeikräfte habe die 65-Jährige keinen Widerstand geleistet, sei allein in der Wohnung gewesen. Über Fingerabdrücke sei Klette eindeutig identifiziert worden. Gefunden wurden in der Wohnung zwei Magazine und Munition, aber keine Waffe.

Offen blieb, wie lange Klette schon in Kreuzberg lebte. Laut Ermittlern lebte sie dort unter falscher Identität, mit ausländischem Pass. Mieterin der Wohnung sei sie nicht gewesen. Nachbarn geben am Dienstag vor dem Haus Jour­na­lis­t*in­nen Interviews: Klette habe sich „Claudia“ genannt, sei freundlich gewesen, oft mit einem Hund unterwegs, habe Mathe-Nachhilfe gegeben. Mit einem Hubschrauber wurde Klette noch am Abend nach Bremen geflogen, wo das Amtsgericht Verden U-Haft für die Beteiligung an sechs Überfällen verhängte. Allein dafür drohen ihr mehrere Jahre Haft. Auch die Bundesanwaltschaft ist noch in das Verfahren involviert: Die Mitgliedschaft in der RAF ist verjährt, nicht aber der Vorwurf der drei Sprengstoffanschläge. Klette soll bisher die Aussage verweigern.

Niedersachsens Innenministerin Behrens bejubelte die Festnahme als „Meisterstück“

Sicherheitspolitiker überschlugen sich mit Jubel. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „­großem Erfolg“ der Ermittlungsbehörden. „Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen.“ Niedersachsens Innen­ministerin Daniela Behrens (SPD) sprach von einem „Meisterstück“ und einem „Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte“.

LKA-Chef de Vries kündigte an, dass man mit gleicher Intensität nun auch Garweg und Staub finden wolle. Tatsächlich berichtete er noch am Dienstag von einer zweiten Festnahme in Berlin: von einem Mann, der ebenfalls mit falschen Papieren unterwegs war. Die Identität konnte zunächst nicht zweifelsfrei geklärt werden.