Russische Brennelemente in Deutschland: Mit Rosatom droht Spionage

Ein Gutachten warnt vor der Produktion russischer Brennelemente in der Lingener Fabrik. Behörden müssen Genehmigungen verweigern, fordern Kritiker.

Atomkraftgegner ziehen vom Bahnhof durch die Innenstadt.

Keine Geschäfte mit Rosatom: Atomkraftgegner im Januar 2022 Foto: David Inderlied/dpa

GÖTTINGEN taz | Der russische Atomkonzern Rosatom wird wohl nicht in Lingen einsteigen: Die zuständigen Behörden in Niedersachsen und im Bund müssen die Genehmigung zum Ausbau der atomaren Brennelemente-Fabrik in der emsländischen Stadt nach Ansicht der Hamburger Rechtsanwältin Michéle John versagen. Bei einem Einstieg Russlands und der beantragten Lizenzproduktion russischer Brennelemente drohten „Spionage, Sabotage und Desinformation“, sagte die auf Verwaltungs- und Atomrecht spezialisierte Juristin am Montag. Die innere und äußere Sicherheit Deutschlands würden dadurch bedroht.

Die Lingener Fabrik gehört Advanced Nuclear Fuels (ANF), einer Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome. Sie ist, ebenso wie die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, vom deutschen Atomausstieg ausgeklammert. Framatome will dort in Lizenz und unter Mitwirkung des russischen Staatsunternehmens Rosatom künftig auch Brennelemente für Reaktoren russischer Bauart produzieren.

Framatome hat dazu mit der Rosatom-Tochter TVEL ein Joint Venture in Frankreich gegründet. Die seit Anfang Januar vom niedersächsischen Umweltministerium ausgelegten Antragsunterlagen für den Ausbau verschweigen nach Angaben von Kritikern allerdings die brisante Rolle des russischen Unternehmens bei dem Vorhaben. Deswegen, so Anwältin John, könne die Genehmigung schon aus formalen Gründen untersagt werden.

Manipulation von Brennelementen nicht auszuschließen

Rosatom werde in den Unterlagen „explizit nicht erwähnt“. Die vage Rede sei da nur vom „russischen Lizenzinhaber“ oder „russischem Lizenzgeber“. John zeigte anhand verschiedener Szenarien auf, wie Rosatom durch den Einstieg in Lingen Gelegenheiten zu Spionage und Sabotage bekommen kann. Das dem Kreml unterstellte und durch die Besetzung des AKW Saporischschja am Krieg gegen die Ukraine beteiligte Staatsunternehmen würde eigenes Personal nach Lingen schicken. Nicht auszuschließen seien dann etwa Manipulationen an Brennelementen.

Gefährdet sei so nicht nur die Anlage in Lingen selbst, sondern alle AKWs, die mit Brennstoff aus der Fabrik beliefert werden. „Die geplante Lizenzproduktion wird zu einer unmittelbaren sicherheitsrelevanten Einflussnahme des russischen Staatskonzerns auf eine deutsche Atomanlage führen – mit potenziellen Folgen für ganz Europa“, betonte John.

Der geplante Einstieg von Rosatom in die Brennelementefertigung in Lingen verschaffe dem Kreml die Gelegenheit, das Wissen und die Werkzeuge, Atomanlagen in ganz Europa anzugreifen, ergänzte Julian Bothe von der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“: Der russische Präsident Wladimir Putin betone immer wieder, dass er sich im Krieg mit dem gesamten Westen sehe, man müsse daher „damit rechnen, dass Putin die Möglichkeiten, die ihm der Einstieg von Rosatom in Lingen verschafft, irgendwann auch nutzt“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.