Bald zu fünft: Die allerletzte Schwangerschaft

Unsere Autorin ist zum dritten Mal schwanger und merkt: Unsere Gesellschaft ist nicht auf fünfköpfige Familien ausgelegt. Zwei Kinder sollen reichen.

Auf einem Wickelraumschild ist eine klassische vierköpfige Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern zu sehen.

Selbst Wickelraumschilder zeigen: Unsere Gesellschaft ist maximal auf vierköpfige Familien ausgelegt Foto: Wire Stock/Pond5/imago

Ich bin schwanger mit meinem dritten Kind und es wird meine letzte Schwangerschaft sein. Also sofern alles weiterhin gut verläuft. Und sofern ich nicht bald im Lotto gewinne oder mir eine verschollene, reiche Großtante ihr Vermögen vererbt.

Denn Kinder kosten viel Geld und das Patriarchat kostet Mütter obendrauf noch mehr Geld. Das kann sich keiner leisten, der nicht groß erbt oder zumindest vier Großeltern in Reichweite hat, die regelmäßig gute Teile der Care-Arbeit übernehmen.

Drei Kinder gelten heute außerdem schon als „viele Kinder“. Unsere Gesellschaft ist ausgelegt auf Familien, die maximal vierköpfig sind, alles darüber sprengt die Vorstellungskraft. Das sieht man an Wohnraumaufteilung, an Mobilitäts- und Urlaubsangeboten. Drei Kinder werden als „zu viel“ verstanden. Als ich bei Bekannten meine Schwangerschaft verkündet habe, kam nicht selten so was wie: „Wow, du musst ja viel Zeit haben“ oder „Du kriegst ja gar nicht genug“.

Keine Zeit

Bisschen eigenartig fand ich das, aber ich habe mich nicht lange damit aufgehalten. Denn ich weiß ja, dass ich eigentlich gar keine Zeit habe, die ich noch vergeben könnte. Dass alle, die schon da sind, zurückstecken müssen, wenn das Baby kommt. Mir ist aber auch klar, dass diese Entscheidung eine ist, die ich wegen ihrer Langfristigkeit treffe, nicht weil es kurzfristig so viel Spaß macht, nochmal von vorne anzufangen. Nochmal die kleinste Windelgröße, nochmal primäre Nahrungsquelle sein, nochmal die schlaflosen Nächte und nochmal eine Geburt, die meinen Körper über viele Monate, wenn nicht Jahre, zeichnen wird.

Die Entscheidung für ein drittes Kind war nicht einfach. Aber drei klang trotzdem richtiger als zwei. Was vielleicht daran liegt, dass ich selbst viele Geschwister habe, auch wenn das bei uns so verpatchworked ist, dass wir nur Lebensabschnitte miteinander verbracht haben.

Vielleicht liegt es daran, dass ich Teile meiner Familie nie kennengelernt habe, dass Teile von ihnen in Bürgerkriegen und im Nationalsozialismus ermordet wurden. Dass dieses Gefühl von Familie für mich nie ein konstantes oder überhaupt greifbares war, wie es bei anderen zu sein schien. Vielleicht ist das der Grund, warum ich so sehr hoffe, dass meine Kinder sich ihr Leben lang begleiten, einander lieben und unterstützen werden – auch wenn wir Eltern schon lange nicht mehr für sie da sein können.

Die Schwangerschaft läuft so dermaßen nebenbei

Dass es die letzte Schwangerschaft ist, macht mich gleichermaßen glücklich und traurig. Glücklich, weil ich es wirklich kaum erwarten kann, dass alle Familienmitglieder eigenständig die Toilette besuchen können. Traurig, weil es mir gerade gar nicht möglich ist, diese Schwangerschaft bewusst zu erleben. Die dritte Schwangerschaft läuft dermaßen nebenbei, dass ich in der letzten Kolumne geschrieben habe, ich sei im fünften Monat, dabei war ich damals schon lange im sechsten.

Würde ich nicht meinen Partner um 19.30 Uhr noch in den Supermarkt schicken, um mir Liptauer zu kaufen, weil ich an nichts anderes als diesen Brotaufstrich mehr denken kann; würde mich nicht das Baby dermaßen stark treten, dass sich kurz kleine Hügel auf meinem Bauch bilden, und würde mich der 3-Jährige nicht jeden Tag fragen, wann denn nun endlich das Baby kommt, ich würde glatt vergessen, dass ich überhaupt schwanger bin.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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