Streiks und Stimmungsmache: Weselsky verspielt Empathie

Streiks bauen auch auf Verständnis, die GdL droht das zu verspielen. Konservative warten schon darauf, deshalb das Streikrecht einzuschränken.

GDl-Chef Weselsky gestikuliert bei einer Veranstaltung.

Rücksichtsloser Kommunikationsstil: GDL-Chef Weselsky bei einer Rede am Hauptbahnhof Dresden im Januar Foto: Robert Michael/dpa

Man braucht derzeit starke Nerven, um den eigenen Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln zu planen. Hartgesottene etwa buchten in den vergangenen Tagen vorsichtshalber gleich mehrere Platzkarten für diverse Züge in der Hoffnung, dass wenigstens einer davon fährt.

Wirklich lustig ist das nicht. Es zeigt sich mal wieder, was das Dilemma ist bei den Streiks in den alltagswichtigen Dienstleistungen, sei es die Bahn, seien es Kitas oder Krankenhäuser. Letztlich wird von Dienstleistungskräften, die oft, aber nicht immer, schwer belastet und schlecht bezahlt sind, Druck ausgeübt auf Kosten von Unschuldigen, von Pendler:innen, Eltern, Patient:innen.

Dieser Widerspruch kann politisch nur ausgehalten werden, wenn es einen Rest Empathie der betroffenen Kun­d:in­nen mit den Streikenden gibt: Ja, ist zwar Mist, dass die Kita zu hat, aber die Er­zie­he­r:in­nen haben es echt schwer; ist zwar lästig, dass die S-Bahn nicht fährt, aber das Personal hat schlimme Arbeitsbedingungen.

Diese Empathie ist ein hohes politisches Gut, das derzeit bröselt. Der rücksichtslose Kommunikationsstil von GdL-Chef Claus Weselsky ist dabei nicht hilfreich. Deswegen hat die Union leichtes Spiel darin, jetzt eine Einschränkung des grundgesetzlich garantierten Streikrechts zu fordern. Es ist Stimmungsmache.

Aber die Gewerkschaften, sei es die GdL oder Verdi, tragen auch Verantwortung, Streikziele und Mittel in der Öffentlichkeit so zu kommunizieren, dass betroffene Kun­d:in­nen wenigstens noch etwas Verständnis aufbringen können. Dazu reichen Zeichen. Zum Beispiel zu garantieren, dass die Bahn nicht an Ostern streikt, wenn sich Familien besuchen. Auch die Ausstände der diversen Beschäftigtengruppen im Flugverkehr ließen sich besser koordinieren.

Wirken Streiks wie Erpressungen und nicht mehr wie Arbeitskämpfe der Schwachen, dann droht uns, dass wir die Einschränkung des Streikrechts im nächsten Wahlkampf auf die politische Agenda bekommen. Das kann eine Mehrheit nicht wollen.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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