EU-Staaten für Richtlinie zu Lieferketten

Überraschend kommt eine Mehrheit für das Gesetz zustande, trotz FDP-Protest. Doch es hagelt Kritik

Von Kai Schöneberg

So richtig zufrieden ist keiner. Von einem „Rückschlag für Europas Wettbewerbsfähigkeit“ sprach der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung, die „die Menschenrechte in den Mittelpunkt des eigenen Handelns stellen“ wollte, habe im langen Ringen um das europäische Lieferkettengesetz gelitten, schrieb Amnesty International. Nach viel Hü und Hott unterstützt eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft am Freitag mit. Deutschland wurde überstimmt, das sich im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten wegen Widerstands der FDP enthielt. Eine Enthaltung wirkt wie eine Neinstimme.

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich bereits im Dezember auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Es soll große Unternehmen zur Rechenschaft ziehen, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. Das EU-Parlament muss dem Vorhaben noch zustimmen. Hier gilt eine Mehrheit als wahrscheinlich.

Weil die Einigung aus dem Dezember zunächst keine ausreichende Mehrheit unter den EU-Staaten gefunden hatte, wurde das Vorhaben noch mal deutlich abgeschwächt. Statt wie ursprünglich geplant, soll es etwa nicht mehr für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten.

Die Grenze wurde den Angaben zufolge auf 1.000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro angehoben – nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren. An diesen Geltungsbereich soll sich stufenweise herangetastet werden. Nach einer Übergangsfrist von drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten, nach vier Jahren sinkt die Grenze auf 4.000 Mitarbeitende und 900 Millionen Umsatz. Die EU-Kommission soll eine Liste der betroffenen Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen. Für sie könnten die Vorgaben gelten, wenn sie mit ihrem Geschäft einen bestimmten Umsatz in der EU erzielen. (mit dpa)

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