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: Habeck, der Standortpopulist

Der Wirtschaftsminister wünscht sich von der Nationalelf „mehr Standortpatriotismus“ in der Entscheidung für den neuen Ausrüster. Doch er ist beim Sport selbst kein Patriot

Wirtschaftsminister Habeck im Joggingoutfit mit Swoosh im März 2023 Foto: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Von Kersten Augustin

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck krempelt die ballonseidenen Ärmel hoch und geht in die sportliche Offensive: Er habe sich „mehr Standortpatriotismus“ vom Deutschen Fußball-Bund gewünscht in dessen Entscheidung für den neuen Ausrüster. Gerade war bekannt geworden, dass sich der DFB gegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem langjährigen Geschäftspartner Adidas entschieden hat und ab 2027 mit einem Nike-Haken auf der Brust auflaufen wird. Und nicht nur das sogenannte Netz, sondern auch der Vizekanzler reagierten erstaunlich moralisch.

Dass sich ein deutscher Minister, zuständig für das Wohl deutscher Unternehmen, rhetorisch vor diese stellt, ist nicht sonderlich überraschend. Ist ja schließlich sein Job, könnte man meinen. Und trotzdem sind Habecks Äußerungen zum DFB und dessen neuem Ausrüster irritierend.

Zunächst einmal, weil Adidas nun nicht gerade ein sympathischer Schneider von nebenan ist, sondern ebenso wie Nike ein globaler Riesenkonzern in Form einer Aktiengesellschaft, der seine Produktion in alle Welt ausgelagert hat. Die Marke profitiert von ihrer historischen Nähe zur deutschen Fußballnationalmannschaft, davon, dass Unternehmensgründer Adi Dassler (der abgekürzte Vorname steht für echte deutsche Standortpatrioten) mit Bundestrainer Sepp Herberger auf der Bank saß und höchstpersönlich die Stollen in die Schuhe der Sportler schraubte.

Aber das ist Folklore – und verdeckt, dass Adidas und der Deutsche Fußball-Bund historisch eine viel zu große Nähe zueinander haben, die für die Entwicklung des deutschen Fußballs nicht förderlich, sondern hinderlich war.

Adidas-Funktionäre waren im deutschen Fußball immer sehr einflussreich. Dem Konzern gehört ein Anteil der FC Bayern München AG, neben der Nationalmannschaft die zweite globale Marke des deutschen Fußballs. Man erinnere sich auch an die Rolle des ehemaligen Adidas-Vorstandsvorsitzenden Robert Louis-Dreyfus im Steuerskandal von Uli Hoeneß, dem er Geld zum Zocken an der Börse lieh. Und Louis-Dreyfus lieh dem WM-Organisationskomitee Geld, das mutmaßlich zur Bestechung verwendet wurde, um die WM nach Deutschland zu holen. Im Gegenzug blieb der DFB Adidas als Ausrüster lange treu – auch als das längst nicht mehr im eigenen Interesse war.

Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass sich Nike um die Sportrechte des Deutschen Fußball-Bunds bemüht. 2006 und 2007 lockte der US-amerikanische Konzern mit einem weitaus besseren Angebot als Adidas. Und es war dann der damalige Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Kalle Rummenigge, der im Sinne seines Anteilseigners dem DFB drohte: Wenn dieser das Angebot von Nike annehmen sollte, würden die Spieler des FC Bayern nicht mehr zu Länderspielen freigestellt werden. Adidas erhielt dann den Zuschlag, und der Deutsche Fußball-Bund, angeblich eine gemeinnützige Organisation, verzichtete auf viel Geld.

Mehr als 15 Jahre später hat sich der DFB nun also von Adidas emanzipiert. Wie das Handelsblatt berichtet, zahlt Nike 100 Millionen Euro im Jahr an den Deutschen Fußball-Bund, doppelt so viel wie aktuell Adidas. Es ist Geld, das auch dem Breitensport, den vielen Millionen Mitgliedern des DFB zugutekommt.

Robert Habeck könnte sich darüber freuen, er könnte begrüßen, dass sich Transparenz und freier Wettbewerb nun endlich auch im deutschen Fußball durchsetzen, also zumindest in der Auswahl des Ausrüsters. Dass er sich stattdessen implizit für eine Fortsetzung der guten alten deutschen Vetternwirtschaft einsetzt, statt dem Deutschen Fußball-Bund im globalen Wettbewerb die besten Chancen zu wünschen, könnte man als Standortpopulismus bezeichnen.

Und wo wir schon beim Populismus sind: taz-Recherchen zeigen exklusiv, dass es auch der deutsche Wirtschaftsminister mit der Wahl seiner Sportklamotten nicht so genau nimmt. Ein Foto aus dem März 2023 zeigt ihn beim Joggen am Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung. Und was trägt der Minister da? Eine rote Sporthose von Nike. Dazu Sportschuhe von Asics, einer japanischen Marke. Immerhin, der Kapuzenpullover des Ministers ist von Iriedaily, die mit ihrer Herkunft aus Berlin-Kreuzberg Werbung machen. So viel Kreuzberger Standortpatriotismus kann die taz nur begrüßen!