Ein Mundschutz hilft nicht

Vor allem die kleinen Rußpartikel sind gefährlich, sagen die Ärzte. Der Feinstaub gelangt fast ungehindert über die Lunge in den menschlichen Blutkreislauf. Allergien, Atemprobleme und Herzerkrankungen könnten die Folge sein, warnen die Experten

VON SVENJA BERGT

Er ist zurzeit nicht nur in aller Lungen, sondern auch in aller Munde: Feinstaub. Doch die winzig kleinen Partikel sorgen für mehr als nur Grenzwertüberschreitungen an Messstationen. Feinstaub führt auch zu Krankheiten und Allergien. Dabei ist Feinstaub nicht gleich Feinstaub.

Zum Feinstaub gehören verschiedene Partikel: Zum Teil kommt er ganz natürlich in der Umwelt vor. Zum Beispiel im Grünen, denn auch Pollen gehören zum Feinstaub. Hier sind die Konzentrationen aber recht ungefährlich, sodass Spazieren durch den Wald immer noch mehr nützt als schadet.

Ein weiterer Verursacher von Feinstaub ist die Industrie. Hier entstehen die Partikel durch die Verbrennungsprozesse. Bei Autos verursacht hingegen nicht nur die Verbrennung von Diesel den Staub – auch der Abrieb der Reifen auf der Straße lässt Staub aufwirbeln.

Viel Feinstaub findet sich auch in den eigenen vier Wänden wieder: Schmutz- und Staubpartikel schwirren durch die Luft und lagern am Boden und auf Gegenständen. Durch Staubsaugen und Kissen aufschütteln werden sie nochmals aufgewirbelt. Die höchste Feinstaub-Konzentration verursachen aber Zigaretten – nicht nur für den Raucher, sondern auch für alle anderen in seiner Umgebung.

Trotz der aktuellen Debatte ist die Feinstaubbelastung in den letzten Jahren weniger anstatt mehr geworden. Dank Filtertechniken stoßen Fabrikschlote weniger Partikel aus, Autos verbrennen einen Teil der Partikel schon im Motor und auch die Zahl der Feinstaub verursachenden Ofenheizungen hat abgenommen.

Dass der Feinstaub trotzdem Schlagzeilen macht, liegt zum einen an den EU-Grenzwerten, die erst dieses Jahr in Kraft getreten sind. Zum anderen zeigen aber neue Studien verstärkt die Gefahren der Partikel auf.

Das Kernproblem für die Gesundheit: Unser Körper lässt die Partikel ungehindert herein. Besonders gefährlich sind hier nicht die großen unter den kleinen Partikeln, sondern die allerkleinsten, die Aerosole. Sie gelangen durch Nase und Atemwege direkt in die Lunge.

Dort wirkt Feinstaub auf verschiedene Arten: Zunächst sammeln sich die Partikel in den Lungenbläschen. Damit beeinträchtigen sie die Selbstreinigung der Lunge. Die Flimmerhärchen werden angegriffen oder zerstört. Die Schleimhäute werden gereizt, schwellen an und produzieren mehr Schleim, um die Lunge zu schützen. Die Bronchien werden eingeengt, es kann zu Muskelkrämpfen (Spasmen) kommen. Dann schädigen die Partikel die Lungenbläschen, Entzündungen entstehen, die Zellmembranen verändern sich. Über das Nervensystem können sie sogar die Kontrolle des Herzschlags verändern.

Die Partikel, die leichter sind als 2,5 Mikrogramm, treten aus der Lunge ins Blut über. Von dort wirken sie auf Herz, Leber und möglicherweise auch auf das Gehirn. Dadurch, dass Partikel in das Blut und damit in die Arterien gelangen, kann Feinstaub auch eine Ursache für Arterienverkalkung sein. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen hier aber noch.

Zwar wirkt Feinstaub nicht toxisch, erklärt Christian Witt, Pneumologe an der Berliner Charité. „Wir wissen überhaupt noch nicht, wie viel Feinstaub ein Mensch eigentlich verträgt.“ Doch klar sei: Der Feinstaub könne Krankheiten auslösen und vor allem verstärken. Patienten, die den Staubpartikeln ausgesetzt seien, bräuchten mehr Medikamente und kämen öfter ins Krankenhaus. Auch nach Ansicht des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit, im bayerischen Neuherberg, führt die Partikelbelastung bei einer bestehenden Krankheit schneller zum Tod.

Die GSF-Forscher haben Studien mit Herzinfarkt-Patienten durchgeführt. Das Ergebnis: Bei hoher Partikelbelastung war auch das Risiko der Patienten höher, einen Re-Infarkt zu erleiden. Besonders gefährdet sind zudem Kinder. Zum einen, weil ihre Lungen noch nicht voll entwickelt sind. Zum anderen, weil ihre Nase wegen der geringeren Körpergröße viel näher an der Schadstoffquelle, dem Autoauspuff, ist.

Darüber hinaus ist Feinstaub ein Auslöser für Allergien. Die Entzündungen, die der Feinstaub in der Lunge auslöst, sind so ähnlich wie bei Heuschnupfen und allergischem Asthma. So löst der Feinstaub auch bei Personen, die bisher frei von allergischen Symptomen waren, allergische Reaktionen hervor.

„Es sieht tatsächlich so aus, als führe bei manchen Menschen erst die zusätzliche Belastung mit Dieselruß dazu, dass sich eine Allergie entwickelt“, so Heidrun Behrendt, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie.

Ihre vorsichtige Formulierung hat seinen Grund: Das Forschungsgebiet ist noch sehr frisch. Bei Menschen, die sowieso gegen Pollen allergisch sind, werde die Reaktion noch verstärkt. Denn die Pollen binden sich oft an die Rußpartikel. Die Allergene, die die Allergie auslösen, gelangen an die Oberfläche der Pollen und werden so im menschlichen Körper direkt den Zellen des Immunsystems präsentiert. Das macht sie noch aggressiver. So steigt das Allergierisiko mit der Verkehrsbelastung.

„Was wir nun brauchen, sind Felduntersuchungen“, fordert Witt. Nicht nur Vergleiche von Stadt und Land, sondern langfristige Untersuchungen. So sollten Anwohner einer stark befahrenen Straße und solche aus waldnahen Gebieten untersucht und deren Werte verglichen werden – über mehrere Jahre hinweg. Nur so könne man feststellen, welche Auswirkungen der Feinstaub genau habe.

Schützen kann man sich vor dem Feinstaub nicht. Ein Mundschutz zum Beispiel würde die feinen Partikel durchlassen. Zwar hilft es, als Sofortmaßnahme die Straßen nass zu reinigen. „Denn die Nässe bindet den Staub“, erklärt Helmut Pucher, Professor an der Technischen Universität Berlin mit dem Fachgebiet Verbrennungs-Kraftmaschinen. Doch für eine geringere Belastung müsse man den Feinstaub schon reduzieren.

„Jetzt sind die dran, die den Dreck machen“, sagt auch Christian Witt. Daher rät er: „An Tagen mit hoher Belastung sollten Sie nach Möglichkeit einfach zu Hause bleiben.“