Fahrrad-Guerilla bekennt sich

Anonyme Hartz-IV-Gegner bieten NRW-Bürgern im Namen der Arbeitsagentur „Ein-Euro-Jobber für anfallende Arbeiten im Haushalt“ an. Der taz liegt jetzt ein Bekennerschreiben aus Bochum vor

VON NATALIE WIESMANN

Der Hartz-IV-Protest geht in den Untergrund: Vergangene Woche landeten in hunderten von Privathaushalten in Hagen, Bochum und Köln vermeintliche Postwurfsendungen der Agentur für Arbeit. Darin wurden den BürgerInnen Ein-Euro-Jobber für den eigenen Haushalt in Aussicht gestellt. Diese könnten für anfallende Arbeiten wie Kinderbetreuung, Straßen kehren oder kleinere Reparaturarbeiten herangezogen werden. In Bochum hat sich jetzt ein Kommando „Paul Lafargue“ zu den gefälschten Briefen bekannt. Ein entsprechendes Schreiben liegt der taz vor.

Die Ein-Euro-Jobs führen zur Vernichtung von Arbeitsplätzen, beklagt darin die Kommunikationsguerilla: „Es glaubt doch kein Mensch, dass Ein-Euro-JobberInnen lediglich zusätzliche Arbeiten verrichten werden.“ Die Wohlfahrtsverbände seien Nutznießer des Ausbaus weiterer Repressionsmaßnahmen gegen Erwerbslose, kritisieren die anonymen Verfasser. Angegriffen werden in dem Schreiben aber in erster Linie die Bochumer Bürger: „Das Kommando Paul Lafargue möchte allen seine tiefste Missachtung aussprechen, die sich bei der Arbeitsagentur nach Ein-Euro-Sklaven erkundigt oder dies in Erwägung gezogen zu haben. Ihr seid blöde Arschlöcher!“

In Bochum riefen aufgrund der gefälschten Sendungen etwa zehn Bürger bei der Arbeitsagentur an, in Hagen wollten acht Adressaten ihr Interesse an einem 1-Euro-Job anmelden. In Köln haben sich „eine Handvoll“ AnruferInnen beim Arbeitsamt nach einer „Haushaltshilfe“ erkundigt.

Wolfgang van Ooyen, Sprecher der Arbeitsagentur Köln, findet es schändlich, die Betroffenen so zu verunsichern. Damit zukünftige Arbeitslosengeld II-Empfänger nicht Angst haben müssen, dass sie beim Nachbarn für einen oder zwei Euro die Stunde zum Kinderhüten herangezogen werden, sind die betroffenen Arbeitsämter an die Presse gegangen. Außerdem ermittelt in allen drei Städten die Staatsanwaltschaft nach den Urkundenfälschern.

In Bochum gibt es bereits eine Spur: „Jemand hat in einem der betroffenen Stadtteile im Morgengrauen einen Radfahrer gesichtet, bestückt mit einem Rucksack“, weiß Klaus Schneider, Sprecher der Arbeitsagentur. Die anonymen Störer, die sich nach dem französischen Sozialisten und Marx-Schwiegersohn benannt haben, werden im Umfeld der Aktion „Agenturschluss“ vermutet, die bundesweit am 3. Januar 2005 die Arbeitsämter lahmlegen will, um die Umsetzung von Hartz IV zu behindern.

Bereits im November waren Briefe mit dem Logo der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen in Düsseldorfer Briefkästen gelandet. Angehörige von zukünftigen ALG-II-Empfängern wurden darin aufgefordert – zur Bemessung einer möglichen Unterhaltszahlung – ihre Steuererklärungen zur Verfügung zu stellen. „Zwei Anwälte riefen an, um mir die Rechtsgrundlagen zu erklären“, erzählt Werner Marquis, Sprecher der Regionaldirektion. Zehn bis fünfzehn Anrufer fragten ihn, „ob die Agentur für Arbeit noch alle Tassen im Schrank habe“. Und zwei BürgerInnen schickten tatsächlich ihre Steuererklärungen.