Zeichen des Widerspruchs

Die Fotografin Karin Richert dokumentiert politische Parolen in Köln. Die anonymen Sprüche sind für die Künstlerin wichtige Zeugnisse der Stadtgeschichte. Sie zeigen, dass Köln nicht die „heile Welt“ ist

Von Stefanie Liebl

Auf der Suche nach politischen „Duftnoten“ ist die Kölner Fotografin Karin Richert in den entlegensten Winkeln Kölns unterwegs und hält mit ihrer Kamera die „Protestkultur aus der Spraydose“ fest. Für Richert sind diese anonymen Meinungsäußerungen auf Wänden und Mauern keine Schmierereien, sondern wichtige „städtische Zeitdokumente“. Fast 400 davon finden sich inzwischen in ihrer Sammlung.

„Köln ist nicht die heile Welt, in der wir uns alle befinden möchten“, ist die 54-Jährige überzeugt. „Wie jede Stadt gibt Köln ein Bild über Menschen ab, die hier leben. Die können sich manchmal nur durch solche Parolen artikulieren.“ Bei ihren Fotos bezieht die studierte Malerin und Grafikerin auch die Umgebung ein. „Manchmal stehen die Sprüche im Widerspruch zur Nachbarschaft, manchmal unterstreicht diese aber auch eine kritische Parole. Das finde ich interessant,“ sagt Richert zu ihrer dokumentarischen Arbeit. So hat sie auf einem ihrer Fotos beispielsweise die gesprühte Aussage „Ausländer bleiben“ abgelichtet. Aber nicht nur die Parole ziert das Bild der Künstlerin. Zwei Fenster mit scheinbar demonstrativ herunter gelassen Läden, die dem Gesprühten einen Rahmen geben, hat Richert – so sieht es aus – zufällig mit ins Bild gerückt. Fügt der Betrachter allerdings den Schriftzug „Ausländer bleiben“ und die geschlossenen Läden als ein Bild zusammen, bekommt das Foto nochmal eine ganz eigene Aussage. Das versteht die Künstlerin unter einer bewussten Kommunikation und Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt.

Der Irak-Krieg war für Richert Anlass und Anstoß, sich nochmal intensiver mit den gesprühten Protesten der Stadt zu beschäftigen. „Bei diesem Ereignis habe ich gemerkt, dass die Menschen die Öffentlichkeit suchen, um das, was den Einzelnen beschäftigt, nachhaltig für die Gesellschaft auszudrücken“, erklärt die Künstlerin. Dabei stört es sie nicht, genau das als Kunst auszugeben, was andere verpönen. „Durch die fotografische Dokumentation löse ich die Graffiti aus den verhärteten Fronten der Legalitätsdebatte heraus und führe sie zurück auf die Wurzeln jeder ernst zu nehmenden Kunst: die Kommunikation über gesellschaftliche Zustände“, erklärt die Künstlerin.

Eigentlich sieht sich Richert bei ihrer Arbeit als stille Beobachterin, doch einmal hat sie ihren Beobachtungsposten verlassen. „Ich komme aus einer Zeit, in der man sich als Nachkriegsgeneration noch sehr genau mit dem Thema Antisemitismus auseinander gesetzt hat, und manche Parolen, die die Menschen an die Wände schreiben, gehen mir dann doch zu weit.“ So forderte Richert die Stadt auf, einen rechtsradikalen Spruch zu entfernen. Was dann auch geschah. „Vorher habe ich ihn aber fotografiert, denn auch das gehört zu Köln.“