Ein Intellektueller auf Seiten der Täter

Der Frankfurter Anwalt Eberhard Kempf vertrat Möllemann – und auch schon Chefbankiers und Exterroristen

Eberhard Kempf, 60, hat nachdenkliche Worte zum Tod seines Mandanten Jürgen W. Möllemann gefunden. Er vertrat den FDP-Politiker seit Herbst 2002. Er mache, sagte er, „niemandem einen Vorwurf“. Gleichwohl sei es an der Zeit, darüber nachzudenken, „was wir alle jeden Tag so treiben“. Kempf hatte sich zusammen mit der Kieler Kollegin Annette Marbert-Kubicki bei der Staatsanwaltschaft mit guten Aussichten darum bemüht, das Verfahren gegen seinen Mandanten mit einem Strafbefehl ohne Geldstrafe zu einem unspektakulären Ende zu bringen.

Möllemann war bei dem Fachanwalt für Strafrecht und Notar in guten Händen. Mag sein, dass das gerade im Kontrast zu dem umtriebigen Politiker besonders auffiel. Kempf wirkt fast schon britisch, groß, blond ergraut, ein distanzierter Blick über den oberen Brillenrand. Wenn er Aussagen von Prozessgegnern und Zeugen nach knappem „So!“ wiederholt, klingt das zwar wie eine Volte aus bester Anwaltsrhetorik, aber elegant unterhalb der Ironieschwelle.

Eberhard Kempf ficht meist mit dem Florett, verzichtet auf Schaueinlagen und lässt Strafverfahren ihren Lauf, ehe er seinen an Rechtstheorie geschulten Verstand punktuell – und dann in der Wirkung umso effektiver – bemüht. Kempf hat in Heidelberg, Berlin, Freiburg und Paris studiert. Er begann seine Karriere in Frankfurt am Main 1976 als einer der „linken Anwälte“, verteidigte Demonstranten, stritt für die Maoisten des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW), für RAFler, Hausbesetzer und Startbahngegner.

Größere Aufmerksamkeit und Respekt bei Anwaltskollegen und Richtern erlangte er aber schon früh immer wieder durch geschliffene rechtstheoretische Abhandlungen und fundierte Kritiken an den Mängeln des Rechtsstaates. Seit 1996 ist er Vorsitzender des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins (DAV), berät den Bundestag, erarbeitet internationales Recht, hält Vorträge.

Kempf machte als Qualifizierter Karriere. Ehrgeiz brennt in ihm als verborgene Flamme. Im Internet wirbt er zusammen mit seiner Sozia Eva Dannenfeldt mit der eher seltenen Entscheidung, ausschließlich als Strafverteidiger frequentierbar zu sein, um die „Würde auch und gerade des unter Verdacht geratenen Menschen“ mit allen gebotenen Mitteln „zu wahren“.

Die Mandanten änderten sich ebenso wie Zeiten, Adresse, Outfit, Interieur. Er vertrat Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, den Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch, Schwarzkassenjongleur der hessischen CDU. Der vorübergehend in Frankfurt inhaftierte Börsenmakler Nick Leeson suchte ebenso bei ihm Rat wie der gescheiterte Baulöwe Jürgen Schneider. Er verteidigte aber auch weiterhin Habenichtse wie den Exterroristen Hans-Joachim Klein, Strommastensäger und vom Leben überforderte Sozialhilfeempfängerinnen.

Zurzeit vertritt er im Auftrag der Frankfurter Bankiersfamilie von Metzler die Nebenklage im Strafprozess gegen den Entführer und mutmaßlichen Mörder ihres 11-jährigen Sohnes Jakob. In dieser Rolle wird der Anwalt, der bisher konsequent an der Seite der Angeklagten saß, nun eine Strafe fordern müssen. Ob er die Familie Möllemann bei der von ihr angekündigten Abrechnung mit der FDP vertreten wird, stand gestern laut Auskunft seiner Kanzlei „noch nicht fest“.

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