Ein Geschäftsleben mit Vergangenheit

Ulrich Peck war früher Chef der Rostocker SED. 1990 wurde er Honda-Vertragshändler – auch weil er einen „Ruf und Wirkungsgrad“ in der Hansestadt hatte. Dreizehn Jahre kein Problem. Dann feierte Peck eine Party mit Egon Krenz in der Honda-Vertretung. „Bild“ berichtete, Peck wurde gekündigt

VON BARBARA BOLLWAHN

Der japanische Automobil- und Motorradhersteller Honda ist ein global player: Mit einer Jahresproduktion von 15,3 Millionen Motoren, 109 Fertigungsstätten in 31 Ländern und mit über 128.000 Mitarbeitern ist er der größte Motorenhersteller der Welt. Jedes Rädchen im Getriebe schnurrt nach dem Honda-Prinzip: „Weltweit darf jeder Käufer das Produkt erwarten, das seinen Bedürfnissen enstpricht.“ Seinen Bedürfnissen? Das klingt verdammt nach dem Marx’schen Satz, den jeder Schüler in der DDR lernen musste: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“

Doch mit den Bedürfnissen ist es so eine Sache, fast 15 Jahre nach dem Mauerfall. Zumindest in Rostock können die ehemaligen Brüder und Schwestern ihre Bedürfnisse nach einem niegelnagelneuen Honda vorerst bald nicht mehr befriedigen. Denn dem einzigen Vertragshändler in der Hansestadt, Ulrich Peck, wurde gekündigt. Fristlos. Nach Ansicht des Automobilherstellers hat Peck seine vertragliche Verpflichtung zur „Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen von Honda gröblich verletzt“.

Am 3. Januar hatte Peck in einem seiner zwei Honda-Autohäuser eine Neujahrsfeier veranstaltet. Unter den etwa einhundert Gästen: der Mitte Dezember 2003 vorzeitig aus der Haft entlassene letzte DDR-Regierungschef Egon Krenz, im Zusammenhang mit den Todesschüssen an der Mauer verurteilt und Honda-Kunde. Ihm zur Seite standen der einstige DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler, der frühere Armeechef Fritz Streletz, PDS-Chef Lothar Bisky, dessen Stellvertreter Wolfgang Methling, Vize-Regierungschef und Umweltminister der rot-roten Schweriner Koalition, sowie der letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel.

Wie kommt Ulrich Peck zu dieser illustren Runde? Ganz einfach. Der Autohändler war zu DDR-Zeiten der 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Rostock und der letzte 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung.

Nun kann man von so einem Gestrigentreffen halten, was man will. Interessant an der brüsken Abwendung Hondas von ihrem langjährigen Vertriebspartner ist jedoch die Tatsache, dass es gerade die Kontakte des Exfunktionärs waren, die Peck im Dezember 1990 als guten Geschäftspartner erscheinen ließen. „Die Vergangenheit von Peck war bekannt“, sagt Alexander Heintzel, „Head of Press & PR“, also Pressesprecher, der Honda Motor Europa (North) GmbH in Offenbach. „Das darf“, so Heintzel, „keine Rolle spielen, wenn man Geschäfte macht.“ Und er liefert auch gleich eine Begründung dafür: „Warum soll ein Exfunktionär ein schlechter Verkäufer sein?“

Heintzel sagt, was Peck damals qualifizierte: „Jeder Hersteller macht einen Vertrag mit einem Händler, der eine Persönlichkeit als Unternehmer darstellt, der einen gewissen Ruf und Wirkungsgrad hat und der bekannt ist.“ Und dann macht der Pressesprecher einen gewagten Vergleich. „Das ist stückweise so wie in den 50er- und 60er-Jahren. Da musste man auch leben mit denen, die da waren.“ Doch nach der Neujahrsfeier ist Schluss mit der geschäftsbedingten Toleranz. „Politische Aktivitäten müssen auf Privatbasis bleiben“, sagt der „Head of Press“.

Es ist klar, worum es dem Unternehmen geht, das für Honda-Wagen 79 Partner in den Neuen Bundesländern und 179 in den Alten Bundesländern hat: um seinen Ruf. Nachdem die Bild-Zeitung geschrieben hatte: „Rote Nelken, Bruderküsse und herzliche Umarmungen durch verdiente Veteranen. Es war ganz so wie in alten Zeiten“, wussten die Mitarbeiter bei Honda nicht mehr, wie viele Reifen ein Auto hat. In Telefonaten, Faxen und Mails kommentierten vorwiegend Ostler, was sie von der Kündigung halten. Richtig so, meinten die einen. Andere schickten Mails „mit sozialistischem Gruß“ und drohten, dafür zu sorgen, dass keiner mehr einen Honda kauft. Wiederum andere warfen dem Unternehmen vor, mit ehemaligen DDR-Bonzen gemeinsame Sache zu machen. Obwohl nur 20 Prozent der etwa 50 Reaktionen negativ waren, spricht Heintzel von „einem nicht unerheblichen Imageschaden“.

Honda schickte am Erscheinungstag des Bild-Artikels eine Presseerklärung raus. „Dass ein Vertragshändler unseres Hauses seine dem markenexklusiven Vertrieb des Fabrikates Honda gewidmeten Ausstellungsräume in aller Öffentlichkeit dazu missbraucht, ehemalige SED-Größen zu einer feuchtfröhlichen Feier für den vorzeitig aus der Strafhaft entlassenen Egon Krenz zu empfangen, findet bei uns die schärfste Missbilligung.“

Ulrich Peck will sich derzeit nicht äußern. Gegenüber dem Internetdienst NDR-Online hatte er erklärt: „Ich mache immer zum Jahresanfang einen Empfang für Geschäftspartner und Freunde des Autohauses.“ Außerdem sei Krenz sein Kunde.

Der Autohändler lässt sich anwaltlich vertreten. Von Peter-Michael Diestel, der für die Deutsche Soziale Union (DSU) und später für die CDU Innenminister war. Er war auch Gast auf der Feier. Diestel hat Widerspruch gegen die fristlose Kündigung eingereicht. „Ich kenne Peck nicht aus FDJ-Zeiten“, sagte Diestel gegenüber der taz. „Ich war ja nicht bei der FDJ.“ Einen Honda fahre er auch nicht. „Sondern einen Wagen mit einem Stern.“ Er vertritt Peck, weil er seit mehreren Jahren Anwalt des Autohauses ist. Und: „Ich arbeite für CDUler ebenso wie für PDSler und SPDler.“

Diestel spricht angesichts der Kündigung von einer „neuen rechtlichen Situation“: „Bei den Montagsdemos damals wurde gefordert, Funktionäre in die Produktion. Nun sind sie relativ geschickt in der Wirtschaft und werden scheinheilig gekündigt.“ Die Anwesenheit „umstrittener, aber freier Personen“ könne nach deutschem Recht kein Gegenstand einer Kündigung von Wirtschaftsverträgen sein. Zudem habe es sich um eine reine Privatfeier gehandelt.

Über diese Aussage wundert sich der Honda-Pressesprecher sehr. „In der Superillu habe ich jetzt die Aussage von Peck gelesen, es sei ein Neujahrsempfang für Kunden gewesen.“ Da fragt sich Heintzel, was das für Hondakunden sind: PDS-Chef Bisky fahre einen alten Honda Akkord, sein Stellvertreter einen Honda Concerto, der seit Ewigkeiten nicht mehr hergestellt wird, und Egon Krenz einen zehn Jahre alten Opel.

„Wenn ich als Händler eine Kundenveranstaltung habe und darüber in der Zeitung lese“, sagt Heintzel zum Schluss, „dann würde ich den Hersteller anrufen und sagen, bitte, helft mir.“ Das habe Ulrich Peck nicht getan. Deshalb ist er jetzt der erste Honda-Autohändler im Osten, dem fristlos gekündigt wurde.