Den Kippen auf der Spur

Seit Dienstag durchsuchen fast 1.000 Beamte die Reemtsma-Zentrale. Vorstandschef Häussler ist verdächtig, am Zigarettenschmugel beteiligt zu sein

aus Hamburg PETER AHRENS

Der Verdacht schwelte schon seit langem. Als vor zwei Jahren ein Abteilungsleiter beim Hamburger Tabakmulti Reemtsma wegen Zigarettenschmuggels festgenommen wurde, hatte der Vorstand des Unternehmens im feinen Hamburger Stadtteil Othmarschen nichts Eiligeres zu tun, als die Sache als Tat eines Einzelnen darzustellen. Doch seitdem ist der Zigarettenkonzern im Visier der Ermittler. Die Staatsanwaltschaften in Hamburg und Stade, Zoll und Bundeskriminalamt haben auch gestern ihre Razzia bei Reemtsma fortgesetzt, die Hinweise verdichten sich, dass Vorstandssprecher Manfred Häussler selbst mit dem Zigarettenschmuggel nach Osteuropa und in den Irak in Verbindung steht. Für das Image des Unternehmens wäre das der Super-GAU.

Die Konzernmutter, gegen die selbst wegen des Verdachts auf Zigarettenschmuggel eine parlamentarische Untersuchung in Großbritannein läuft, vollzog daher gestern schon einmal deutliche Absetzbewegungen. Der britische Konzern Imperial Tobacco, der Reemtsma vor einem Jahr für gut 6 Milliarden Euro der Hamburger Unternehmerfamilie Herz abgekauft hatte, ließ verbreiten, man habe mit dem Schmuggelverdacht in Sachen Irak nichts zu tun. Imperial Tobacco tut sich leicht mit dieser Erklärung, denn die Irak-Vorwürfe beziehen sich auf das Jahr 2000, also ein Jahr bevor die Briten die Hamburger übernommen haben. Damals sollen leitende Reemtsma-Mitarbeiter insgesamt 17 Millionen Zigaretten über die Türkei in das Land geschafft haben – dem UN-Embargo zum Trotz.

Reemtsma-Vorstandschef Manfred Häussler, gleichzeitig verantwortlich für Marketing und Vertrieb bei Imperial Tobacco, hat die Leitung der Hamburger Firma erst nach dem Verkaufsdeal mit der britischen Mutter übernommen. In Hamburg sonnt er sich gern im Scheinwerferlicht von Prominentenpartys. Den Reemtsma-Medientreff, bei dem sich alljährlich die Crème der Hansestadt von Verona Feldbusch über die boxenden Klitschko-Brüder bis Sabine Christiansen die Ehre gibt, richtet er selbst aus. Seit seine Firmenräume durchsucht werden, ist Häussler, der seit zehn Jahren dem Vorstand angehört, allerdings weniger öffentlichkeitsfreudig. Es gibt noch keine offizielle Erklärung von Reemtsma zu der Razzia.

Fast 1.000 Mitarbeiter der untersuchenden Behörden waren seit Dienstag früh damit beschäftigt, den Firmensitz und Privatwohnungen von Reemtsma-Managern zu durchkämmen. Die Aktion sollte noch mindestens bis heute andauern. Zwei Lastwagen, voll mit Akten, haben die Ermittler inzwischen sichergestellt und abtransportiert. Sie werfen dem Konzern in erster Linie vor, Zigaretten unversteuert nach Osteuropa exportiert und sie genauso unversteuert still und heimlich wieder zurücktransportiert zu haben. Im Westen wurden sie dann auf dem Schwarzmarkt unter Ladenpreis verkauft.

Hamburg ist ein begehrter Markt für Zigarettenschiebereien. Allein im Jahr 2001 hat der Hamburger Zoll 98,3 Milliarden illegal eingeschmuggelte Zigaretten beschlagnahmt. Auf diesem Wege sind die Ermittler wohl auch Reemtsma auf die Schliche gekommen: Vor zwei Jahren wurde ein Schmuggler südlich von Hamburg verhaftet, der seit Anfang der 90er-Jahre Millionen von Reemtsma-Zigaretten ins Ausland verschoben haben soll.

Reemtsma ist mit Philip Morris und British American Tobacco der Dritte im Konzert der Großen auf dem deutschen Tabakmarkt und beschäftigt knapp 11.000 Mitarbeiter. Marken wie West, Roth-Händle, Davidoff und Peter Stuyvesant gehören seit je zu dem Unternehmen, das bis 1980 im Mehrheitsbesitz der Gründerfamilie Reemtsma war.