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: Oberhof setzt voll auf den Wintersport

Das St. Moritz des Ostens

Auch der Kanzler war da. Als Gerhard Schröder am Kanzlersgrund, wo die Schanze steht, mit dem Hubschrauber landete, wurde ihm ein grünes Herz überreicht. Schröder beging das Sakrileg, das grüne Herz Thüringens farblich zu hinterfragen. „Habt ihr denn kein rotes“, schröderte er, bevor er drei Stunden durch den Ort zog. Ihm wurde der Pudel „Denny“ auf den Arm gesetzt. Die Rodelfrauen gaben Tipps für schnelle Schlittenfahrten. Biathlet Frank Luck verhalf Schröder zu zwei Treffern im liegenden Anschlag. Und natürlich drückte man ihm eine Bratwurst in die Hand. Dann sprach der Kanzler, dass es nett gewesen sei, er habe gesehen, dass die Bundesgelder nicht schlecht angelegt sind, und entschwand im Helikopter.

Zur Biathlon-Weltmeisterschaft 2004 wird er wohl wieder kommen. 7 Millionen Euro hat das neue Stadion mit Beschneiungsanlage gekostet. Die WM wird im Ort bereits plakatiert, wobei die Tourismusstrategen mit dem Hissen der Banner gar nicht nachkommen. In diesem Winter werden Weltcups sonder Zahl am Rennsteig veranstaltet. Ob Rodler, Nordische Kombinierer, Biathleten oder Langläufer, der Wintersport hat zwischen Grenzadler und Wadeberg sein Refugium. „Sport ist unser wichtigster Werbefaktor“, sagt Bürgermeister Hartmut Göbel und betont, dass Oberhof „Heimat hochkarätiger Sportler“ sei, ein rechter Allgemeinplatz nach den Erfolgen in Salt Lake City (14 Medaillen). „Hier werden allein sieben Wintersportdisziplinen im Hochleistungsbereich betrieben“, führt der CDU-Politiker noch ins Feld.

Die WM wird der vorläufige Höhepunkt werden für den Sportort, der in Broschüren mit dem Slogan „Die neue Dimension“ für sich wirbt. 820 Meter hoch auf dem Kamm des Thüringer Waldes gelegen, hat Oberhof in den letzten Jahren einen Kraftakt unternommen, um der Vision von Bürgermeister Göbel zu entsprechen, dem eine „Symbiose von Leistungssport und Tourismus“ vorschwebt. Die Sportler sollen die Touristen locken. Und die Gäste für das nötige Geld sorgen, damit Sport auf höchstem Niveau getrieben wird. 520.000 Übernachtungen verbucht die 2.000-Einwohner-Stadt. Es gibt Biathlonschießen für jedermann, Fahrten im Viererbob, Eisrafting, Wellnessbad und Abfahrtshang. Und es gibt die „Klagemauer“, wie die Einheimischen verwaiste Ödbauten bezeichnen.

1970 setzte der Massentourismus in Oberhof ein. Die DDR-Oberen lotsten FDGB-Urlauber „in Ermangelung eines realsozialistischen Alpenzugangs“ (FAZ), eine Million im Jahr, in die heile Mittelgebirgswelt. Bettenburgen entstanden, die noch heute das Stadtbild verzerren. Nach der Wende tendierte der Tourismus gegen null. Überdimensionale Hotelanlagen waren überflüssig. 2002 wurde eine davon, das „Rennsteig“, abgerissen. Das „Ernst Thälmann“-Haus folgte. „In kleinen Pensionen“ soll sich der heutige Gast einrichten, will Göbel und schwärmt von dem Oberhof der Zwanzigerjahre, als königliche Hoheiten, Geheimräte und Rittergutsbesitzer im „St. Moritz des Ostens“ abstiegen. „Leider hat man das mondäne Oberhof in der DDR-Zeit verschandelt“, trauert Göbel, ist aber Geschäftsmann genug, um das Erbe der DDR-Zeit nicht abzulehnen. „Wir wollen das Positive aus zwei Epochen abschöpfen.“

Was einst der Exklusivtourismus war, war bis zum Mauerfall der Sport, dem man die Nähe zum System nicht so krumm genommen hat. „Mit Stasi-Enthüllungen müssen wir leben“, sagt Göbel. Den Prozess der Umstrukturierung konnten solche Meldungen nicht aufhalten. Die 1979 gegründete Kinder- und Jugendsportschule (KJS) wurde für etwa 350 Schüler zum Sportgymnasium. Der Armee-Sportklub ASK Vorwärts ging über in den WSV 05 Oberhof bzw. die Sportfördergruppe der Bundeswehr. „Wir hatten und wir haben einen hohen Anspruch“, sagt Wolfgang Filbrich, Leiter des Bundesleistungszentrums, „jetzt geht es darum, uns stetig weiterzuentwickeln, denn wir stehen in Konkurrenz mit anderen Zentren.“ Kurzum: Es geht um die Marke Oberhof.

Filbrich muss es gar nicht mondän haben, ihm reicht, wenn der Ort „mit seiner Leistungsfähigkeit in aller Munde ist“. Filbrich war 17 Jahre Biathlon-Trainer. „Nach der Wende haben wir es verstanden, uns strukturell anzupassen“, sagt er. Die Schanze wurde zweimal modernisiert, die Bob- und Rodelbahn saniert. Eine so genannte Dreifelderhalle gebaut, die Biathleten Schießkanal und Kältekammer bietet. Das Sportgymnasium renoviert. Kosten insgesamt: 18,5 Millionen Euro. Das Schwimmbad schlug zusätzlich mit 17 Millionen zu Buche.

Bürgermeister Göbel ist das noch nicht genug. Noch längst nicht. „Oberhof muss sich in den Köpfen festsetzen“, fordert er. MARKUS VÖLKER