Kommunen gedenken an NSU-Opfer: Ein Halit-Platz für Kassel

Sieben Städte planen Gedenktafeln für die Opfer der Neonazi-Terrorzelle NSU. Deren Angehörigen wurden nicht informiert – wollen nun aber mitsprechen dürfen.

Gedenken an Halit Yozgat in Kassel – bald soll es auch eine Gedenktafel geben. Bild: dpa

BERLIN taz | Mit einheitlichen Gedenktafeln in den betroffenen Städten soll an die Menschen erinnert werden, die in den Jahren 2000 bis 2007 der beispiellosen Mordserie der Thüringer Terrorzelle zum Opfer fielen. Darauf haben sich die Oberbürgermeister von Kassel, Nürnberg, München, Rostock, Dortmund und Heilbronn sowie der Erste Bürgermeister von Hamburg geeinigt. In einer gemeinsamen Erklärung vom Dienstag heißt es, mit einer einheitlichen Botschaft und der namentlichen Nennung der Opfer würden die Morde „in angemessener Weise als Serie und erschreckende Taten von ausländerfeindlichem Charakter gekennzeichnet“.

Barbara John, die Ombudsfrau für die Opfer der Thüringer Terrorzelle, begrüßte diese Entscheidung. Sie zeigte sich aber verwundert, dass die Angehörigen der Opfer darüber nicht vorab informiert wurden. Lediglich Kassels Bürgermeister Bertram Hilgen habe mit Ismail Yozgat, dessen Sohn von den Zwickauer Neonazis erschossen wurde, im Vorfeld das Gespräch gesucht.

„Es wäre schön gewesen, den Angehörigen diesen Beschluss zumindest vorher mitzuteilen“, sagte Barbara John am Dienstag der taz. „Wir wissen ja nicht einmal, ob das alle überhaupt so wollen“. Vermutlich hätten die meisten von ihnen nichts gegen diese Form des Gedenkens einzuwenden. „Aber warum können die Menschen, um die es geht, nicht gehört und gefragt werden?“, zeigte sich John ratlos. Die Angehörigen möchten nun wenigstens in die weiteren Schritte einbezogen werden: „Sie würden gerne einen Entwurf der geplanten Gedenktafeln sehen und bei der Frage mitreden, wo diese angebracht werden“, so John.

Die Bürgermeister der betroffenen Städte haben sich bislang nur darauf geeinigt, dass die Gedenktafeln „in geeigneter Weise“ in den sieben Städten angebracht würden. „Wir sind bestürzt und beschämt, dass diese terroristischen Gewalttaten über Jahre nicht als das erkannt wurden, was sie waren: Morde aus Menschenverachtung. Wir sagen: Nie wieder!“, soll die Inschrift lauten. Im Anschluss folgen die Namen und Todestage der Mordopfer sowie die Tatorte.

In Heilbronn, wo vor fünf Jahren die Polizistin Michele Kiesewetter ermordet wurde, gibt es bereits eine Gedenktafel – sie soll nun am 25. April durch eine neue ersetzt werden. In Kassel soll die Gedenktafel an einem bislang namenlosen Platz angebracht werden, der demnächst nach dem dort vor sechs Jahren von den NSU-Mitgliedern getöteten Internetcafé-Betreiber Halit Yozgat benannt werden soll.

Auf der zentralen Gedenkfeier für die NSU-Opfer im Februar in Berlin hatte dessen Vater Ismail Yozgat den Wunsch geäußert, die Straße, in der sein Sohn umgebracht wurde, in Halit-Straße umzubenennen. Doch in Kassel gibt es Widerstand dagegen, der vierspurigen Ausfallstraße einen neuen Namen zu geben. „Es ist ein Anfang“, sagte dessen Vater Ismail Yozgat nun dazu. An seinem Ziel einer Straßenumbenennung hält er weiter fest: „Ich mache weiter“, sagt er.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.