Cinephilie und Geschäft

Filmreihe Die 1946 gegründete CCC-Firma produzierte Filme über NS-Verbrechen als auch populäre Genreproduktionen

„Morituri“ (1948) war der erste deutsche Film, der sich mit dem Holocaust befasste Foto: Deutsches Filminstitut – DIF /Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main

von Fabian Tietke

1960 dreht Fritz Lang in Berlin seinen letzten Film: einen filmischen Nachtrag zu seiner „Dr. Mabuse“-Reihe, die zu den Klassikern des Weimarer Kinos zählt. Der Film ist zugleich Auftakt einer sechsteiligen Mabuse-Reihe, die in den Jahren bis 1964 entsteht: Der Fernsehreporter Peter Barter wird auf dem Weg ins Studio ermordet. Ein Todesfall, den ein Hellseher der Kriminalpolizei angekündigt hatte. Einer der Ermittler fühlt sich von dem Verbrechen an lange zurückliegende Verbrechen erinnert, die Verbrechen Mabuses in den 1920er und 1930er Jahren. BKA und Interpol schalten sich ein. Alle Spuren führen in ein Luxushotel, in dem der US-Milliardär Travers abgestiegen ist.

Fritz Lang greift in „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ die Stimmung und einzelne Elemente der früheren Filme auf, ist aber kein Remake, sondern ein eher den Produktionsumständen geschuldetes Wiederaufgreifen. Das zeigt sich auch an einem der Protagonisten: Otto Wernickes Verkörperung eines feisten, aber pfiffigen Kriminalkommissars prägte die Weimarer Mabuse-Filme Langs. In „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ zeigt Lang Gerd Fröbe zu Beginn des Films in einem harmlosen Nachklang dieser Rolle beim Schmökern in dem Buch „Psychologie des Verbrechens“.

Fritz Langs Film ist der dritte Regiearbeit nach der Rückkehr aus dem Exil in den USA. Eingefädelt hatte sie der Berliner Produzent Artur Brauner. Dieser war 1918 in Łódź als Abraham Brauner geboren worden und floh 1940 vor den Deutschen in die Sowjetunion. Seine Eltern wanderten nach Israel aus, viele seiner Verwandten wurden von Deutschen ermordet. Doch Brauner blieb in Berlin und baute direkt nach Kriegsende in Berlin eine Filmproduktion auf. Es war im September 1946, als Artur Brauner gemeinsam mit seinem späteren Schwager Joseph Eisenstein die Central Cinema Comp. Film Gesellschaft gründete, kurz CCC. Die Firma besteht bis heute und hat im Lauf der Jahre über 200 Filme produziert.

Mit den Gewinnen aus der Komödie „Sag die Wahrheit“ (1946) und der ersten CCC-Produktion, dem Operettenfilm „Herzkönig“ (1947), finanzierte Brauner „Morituri“, der 1948 die Flucht aus einem Konzentrationslager, vor Wehrmacht und SS schilderte. Morituri wurde bei den Filmfestspielen in Venedig uraufgeführt und von den bundesdeutschen Kinobetreibern vehement abgelehnt.

Produzent Artur Brauner gründete die Filmfirma CCC nach dem Krieg in Berlin

„Morituri“ und „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ bezeichnen zwei Pole der CCC-Produktionen: Produktionen, die den Mord an den europäischen Juden während des Nationalsozialismus behandeln und populäre Genreproduktionen standen stets nebeneinander. Für beide hätte die deutsche Filmbranche Brauner und die CCC auf Händen tragen müssen. Hat sie aber nicht. Obwohl Brauner – dies war eine weitere Leistung – immer wieder große Namen der europäischen Filmkultur nach Berlin holen konnte, sind viele Filme der Produktionsgeschichte von CCC heute mehr oder weniger unbekannt.

Dazu zählt zu allererst der Film „Sie sind frei, Dr. Korczak“ über die letzten Tage des Kinderheims von Janusz Korczak im Warschauer Ghetto, den der polnische Regisseur Aleksander Ford für die CCC drehte, nachdem er in einer Welle des Antisemitismus seine Funktionen in der polnischen Filmausbildung verloren hatte. Wie am Beispiel Fritz Lang zu erkennen ist, nutzte Artur Brauner sein Talent, internationale Größen zu verpflichten, sowohl für die Filme zur deutschen Zeitgeschichte wie für die Genreproduktionen. So findet sich neben Lang auch eine Genregröße wie Jess Franco unter den Regisseuren, die für die CCC drehten. Franco drehte 1971 den exploitativen Vampirfilm „Vampyros Lesbos – Erbin des Dracula“, der die Modewelle des Horrorfilms mit viel erotischen Schauwerten perfekt bediente.

Dieses Gespür für Moden zieht sich durch die gesamte Filmografie Brauners als Produzent: 1955 brachte er die aufsteigenden Stars Peter Alexander und Caterina Valente unter der Regie von Paul Martin in dem Schlagerfilm „Liebe, Tanz und 1000 Schlager“ zusammen. 1959 inszenierte Gerd Oswald für die CCC den Halbstarkenfilm „Am Tag, als der Regen kam“ mit dem feschen Mario Adorf als Anführer einer Jugendbande. 1964 drehte der amerikanische B-Western-Regisseur Hugo Fregonese für Brauner schließlich erst den letzten Teil der „Dr. Mabuse“-Reihe – und dann die Karl-May-Verfilmung „Old Shatterhand“.

Die Filmreihe „70 Jahre CCC Filmkunst“ läuft bis zum 28. 10. im Bundesplatz Kino. Programm: www.deutsche-kinemathek.de/filmverleih/aktuell-im-verleih