Kampf gegen Neubau in Mitte: Auf Licht folgt Schatten

Bewohner eines Plattenbaus nahe dem Alex kämpfen verzweifelt gegen einen Neubau vor ihrem Haus. Verhindern werden sie ihn nicht können.

Nicht besagter Neubau, aber besagte Ecke. Bild: flickr

Mit einer schweren Eisenkette und Plastikschnüren wird Pio Bossa von seinen Nachbarn in der Otto-Braun-Straße an einen Baum gebunden. Aus dem Fenster seiner Wohnung im Plattenbau dahinter ragt ein Transparent mit der Aufschrift "Reyern!!!" und im Fenster darüber: "Ich könnt". Seit ein paar Monaten versuchen die Bewohner des ein paar hundert Meter vom Alex entfernten Plattenbaus zu verhindern, dass ein neues Gewerbe- und Appartmentgebäude an die Ostseite ihres Hauses gebaut wird. Sie fürchten den Schatten des Neubaus, der ihnen das Sonnenlicht nimmt.

"Viele der Mieter leben hier seit 40 Jahren, auch die Bäume stehen so lange hier", sagt Ingeborg Musil, "jetzt sollen die Bäume gefällt werden und unser Haus wird zum Hinterhof." Seitdem sie im März von dem Bauvorhaben erfuhr, versucht die 56-Jährige mit ihren Hausmitbewohnern gegen das Projekt vorzugehen. Dem Bezirksamt liegt zwar noch kein Bauantrag, aber bereits die Absichtserklärung eines Projektentwicklers vor. Im Internet finden sich Entwürfe des neuen Gebäudes mit dem Vermerk, Interessenten könnten dort 2013 einziehen.

Erfolglos schrieben die Bewohner Briefe an Klaus Wowereit, Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer, Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe und Bezirksbürgermeister Christian Hanke (alle SPD). Weil in dem Wohnhaus überwiegend ältere Menschen leben, kontaktierten sie auch Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Grüne). Sie sammelten Unterschriften, kontaktierten den BUND wegen der Bäume. Musil ging auf der Suche nach Ratschlägen von einer Institution zur nächsten - erfolglos. "Jetzt müssen wir mit unserem Anliegen an die Öffentlichkeit gehen", sagt sie angesichts ihres medienwirksam an den Baum geketteten Nachbarn.

Sämtliche Versuche der Anwohner, den Neubau zu verhindern, scheitern am Bebauungsplan für das Gelände. Der trat bereits im Jahr 2000 in Kraft. In der textlichen Begründung heißt es, der Plan sei fristgerecht im Amtsblatt für Berlin bekannt gemacht worden und habe ordnungsgemäß ausgelegen. "Die während der öffentlichen Auslegung ab 24. August 1998 vorgebrachten Anregungen gingen in die Abwägung ein", heißt es. "Ich weiß mit Sicherheit, dass sich damals Leute beschwert haben. Auch über das Haus, das jetzt an unseres gebaut werden soll", sagt Musil. In der Begründung sind unter den Anmerkungen von Bürgern jedoch keine Beschwerden zu finden.

"Wenn der Bauantrag gestellt wird, müssen wir das genehmigen", erklärt Baustadtrat Gothe die Rechtslage. Er sehe auch nicht, "was man am aktuellen Entwurf verbessern könnte". Gothe verweist darauf, dass die Wohnungen durch den Neubau von der Straße abgeschirmt und somit wesentlich ruhiger würden. Der Projektentwickler habe zudem versichert, die Anwohner bei der Gestaltung der Freifläche zwischen den beiden Gebäuden einzubeziehen. Die Bäume, die dem Neubau weichen müssten, könnten ersetzt werden.

"Wir wollen nicht den Innenhof mitgestalten, sondern dass entweder gar nicht oder niedriger gebaut wird", sagt Musil. Die Anwohner wollen nun rechtliche Schritte prüfen. Ihre Hamburger Hausverwaltung will sie dabei unterstützen - auch wenn sie glaubt, dass sich der Bau nicht vermeiden lässt.

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