der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… hat eine Familie. Nein, nicht diese „We are family“-Nummer, nicht die Zeitgeist-Erfindung der Patchwork- oder Wahlfamilie. Sondern die richtige Fleisch-und-Blut-Connection, die Vater-Mutter-Kind-Triade. Der Hort allen Glücks. Und allen Unglücks.

Als Claas – der Name ist falsch, aber seine Herkunft echt: deutscher Hochadel – sich seiner Mutter als schwul offenbarte – an einem herrlichen Sommerabend, im Salon mit den großen Fenstern, die direkt in den prächtigen Park führen: so als hätten Utta Danella und Rosamunde Pilcher gemeinsam die Fäden gezogen –, da kam ihr kein Leben ins Gesicht: „Ich lass dich jetzt alleine“, sagte sie nur, „du weißt, wo der Revolver liegt.“ So praktisch können Mütter sein. Claas aber gab nichts auf den Rat seiner Mutter und hat sie nie wieder gesehen seitdem. Heute pendelt er täglich zwischen zwei Jobs, um die Kosten für die Psychotherapie aufzubringen.

Mütter und Väter mögen keine schwulen Kinder, in der Regel. Schließlich erfüllen sie nicht eines der vielen Bilder, die einmal aufgestellt wurden noch vor der Geburt. Stattdessen lassen schwule Söhne den Familiennamen versinken, bringen keine Enkel ins Haus, sorgen für böse Worte hinter vorgehaltener Hand unter Nachbarn, Freunden und Verwandten und leisten überhaupt keinen Beitrag dazu, sich mit ihnen dicke zu tun in der Welt. „Unser Jüngster ist jetzt homosexuell, wissen Sie! Er ist so sensibel und hatte schon 37 Sexpartner – wir sind stolz auf ihn!“ Das funktioniert nicht, das macht überhaupt nichts her. Nein, nein, Eltern wollen keine homosexuellen Kinder. „Unser Sohn soll es einmal besser haben!“, das ist der Erzeuger Großauftrag, und eine homosexuelle Perspektive hat definitiv keinen Platz in dieser Vison.

Als Chastity Bono ihrer Mutter, der Popgöttin Cher, die Nachricht überbrachte: Ich bin lesbisch, da rastete die aus, warf die Tochter aus dem Haus, und soll – so will es die Klatschblatt-Legende – hinterhergerufen haben „Du fette Schlampe, lass dich hier nie wieder blicken!“ Und als Klaus Mann 1925 mit „Der fromme Tanz“ den ersten selbstbewussten Schwulenroman des Jahrhunderts veröffentlichte, konterte sein Vater Thomas postwendend mit einem Lobgesang auf die Ehe und kanzelte die Homosexualität ab: „Sie ist ‚freie Liebe’ im Sinne der Unfruchtbarkeit, Aussichtslosigkeit, Konsequenz- und Verantwortungslosigkeit.“

Niemand soll jetzt sagen „Schnee von gestern“, sprechen Sie mal eine dieser modernen, aufgeklärten Mütter an, die mit Doppelbelastung und Kindermädchen, und erwägen Sie, mit Blick auf den kleinen Prinzen an Mamas Hand, „und was wäre, wenn er schwul würde!“, dann gefriert ihr Lächeln auf der Stelle und sie umklammert den Griff des Kinderwagens stahlhart, dass die Fingerknochen weiß werden dabei. Sie weiß, dass sie jetzt cool bleiben muss, das hat sie in ihren Magazinen gelesen. Viel lieber würde sie dem Provokateur in die Eier treten und dann den Thronfolger in Sicherheit bringen. Dabei weiß sie es doch besser: Nur ein schwuler Sohn bleibt ihr Sohn, sein Leben lang, und betrügt sie nie mit einer anderen Frau.