Angst vor dem Fest der Liebe

FEIERTAGSKRISE Das Brotfabrik-Kino zeigt Edwin Brienens Tragikomödie „Warum Ulli sich am Weihnachtsabend umbringen wollte“

Der sorgfältig inszenierte Film hangelt sich von einem missglückten Treffen zum nächsten

VON DETLEF KUHLBRODT

Weihnachten ist eine schwierige Zeit. Es gibt ja kaum Licht und die heilige Familie, die sich an diesen drei Tagen feiert, ist oft nicht so intakt, wie sie gerne wäre. So gibt es oft Streit und Ungemach. Doch auch nicht jeder, der allein ist, fühlt sich in diesen Tagen wohl. Ulli (Marin Cactas) zum Beispiel. Ein schüchterner Mann um die 40, der in einer kleinen Computerfirma arbeitet und verzweifelt jemanden sucht, mit dem er das Weihnachtsfest verbringen könnte.

„Warum Ulli sich am Weihnachtsabend umbringen wollte“ (2005), der erste deutschsprachige Film des niederländischen Regisseurs Edwin Brienen, der seit 2003 in Berlin wohnt, beginnt am 22. 12. und endet am ersten Weihnachtstag.

In der ersten Szene sieht man den Helden bleich in einer Buchhandlung stehen. Er möchte dies Buch von diesem amerikanischen Autor kaufen, nach dessen Lektüre sich so viele Leute umgebracht hätten und das auch der Mörder John Lennons am Vorabend seiner Tat gelesen habe. Die Buchhändlerin ist inkompetent und weiß nicht, dass es um den „Fänger im Roggen“ geht.

Dass Ulli das Buch in der nächsten Szene dann doch dabei hat, hat vielleicht damit zu tun, dass der Film in nur zehn Tagen abgedreht wurde. Er steht jedenfalls vor der Tür seiner Nachbarin, die er von Weitem verehrt, möchte ihr das Buch schenken und am liebsten auch den Weihnachtsabend mit ihr verbringen. Das Gespräch an der Tür ist quälend wie bei Fassbinder (wie vieles in dem Film) und endet, als der Freund der Nachbarin auftaucht.

Traurig geht Ulli zu seinem besten Freund Elton (Tomas Spencer). Während er sein Leben beklagt, sitzt der Freund desinteressiert auf dem Sofa und isst Kekse. Irgendwann wird es dem englischen Freund zu viel mit der Jammerei und er beginnt Ulli zu beschimpfen. „Wenn dein Leben scheiße ist, verändere es. Ich könnte jetzt mit Frauen ficken, Drogen nehmen, Rock ’n’ Roll, und stattdessen muss ich mir deinen Scheiß anhören.“

Er bekommt einen Wutanfall und entdeckt dabei, wie viel Freude es macht, Sachen zu zerstören. Die Szene ist lustig; später werden die komischen Elemente (manchmal nur BZ-Schlagzeilen wie „Homoexzesse im Reichstag“) immer seltener, was daran liegt, dass der Film die Perspektive von Ulli nicht verlässt und Ulli unfähig ist, Distanz zu sich zu entwickeln. Gleichzeitig ist die Figur von Ulli aber so gezeichnet, dass man ihm nicht richtig nahe kommt; man versteht nicht so recht, warum er Angst hat, Weihnachten allein zu sein, und möchte ihn häufig schubsen, weil er so ängstlich durch die Weihnachtstage läuft.

Am Vorweihnachtstag schleppt ihn sein Freund in ein türkisches Café, um Drogen zu kaufen, wo beide erniedrigt werden. Später küsst er den Fernseher und singt in einem schönen Videoclip ein romantisches Lied.

Der sorgfältig inszenierte Film hangelt sich von einem missglückten Treffen zum nächsten. Ulli besucht seine lesbische Schwester, die eigentlich gerade mit ihrer neuen Freundin ins Bett gehen will. Die neue Freundin, ein kesser Vater, macht sich an Ulli ran, die Schwester beginnt wütend Staub zu saugen (nie sah man im Film jemanden wütender Staub saugen), schließlich fallen die beiden Frauen übereinander her und Ulli ist wieder allein zu Haus. Hört ein schreckliches Blasmusikwerbelied für die CDU aus den 70er Jahren („Jetzt kommt’s drauf an – die CDU muss ran“) und schaut einen hässlichen Pornofilm aus derselben Zeit.

In einer Szene, die an Lothar Lambert erinnert, besucht der traurige Held seine Mutter (Ades Zabel), die mit ihrem neuen Liebhaber Olaf, einem dünnen, leicht bekleideten, auf Aggro gepolten Proll, im Weihnachtszimmer sitzt. Er möchte gern mit ihr Weihnachten feiern. Sie beschimpft ihn und erklärt am Ende, sie habe Krebs und nur noch sechs Monate zu leben.

Schließlich bedroht Ulli eine Frau mit einer Pistole und zwingt sie, mit ihm das Fest der Liebe zu begehen. Doch auch das geht leider schief. Im Gegensatz zu vielen anderen katastrophischen Weihnachtsfilmen, die am Ende gewöhnlich wieder ins behagliche Weihnachtsglück finden, steht „Warum Ulli …“ meist auf der Kippe zwischen Depression und Komik, neigt letztlich aber doch eher ins Depressive.

■ „Warum Ulli sich am Weihnachtsabend umbringen wollte“: Brotfabrik, 12.–15. 12., 22 Uhr