CHRISTIAN RATH ZUM NEUEN WAHLMODUS FÜR VERFASSUNGSRICHTER
: Spitze gegen Karlsruhe

Zukünftig sollen die Bundesverfassungsrichter im Plenum des Bundestags statt in einem kleinen Wahlausschuss gewählt werden. Darauf haben sich die Spitzen der Großen Koalition jetzt geeinigt.

Die Vermutung liegt nahe, dass dies eine Spitze gegen das Karlsruher Gericht ist, über das sich die Politik in den letzten Monaten mehrfach geärgert hat – zuletzt bei der Entscheidung zur Europawahl, als die Richter die neue Dreiprozenthürde kippten.

Der offizielle Anlass ist nicht neu. Schon seit Jahrzehnten wird in juristischen Fachkreisen diskutiert, ob die Verfassungsrichter ordnungsgemäß gewählt werden. Selbst Andreas Voßkuhle, jetzt Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hatte einst als Rechtsprofessor erklärt, er halte das Wahlverfahren für grundgesetzwidrig. Die Verfassungsrichter müssten im Plenum des Bundestags gewählt werden, nicht in einem kleinen Wahlausschuss.

Jetzt endlich will der Bundestag auf die Bedenken der Wissenschaftler eingehen. Eigentlich lässt sich nichts dagegen einwenden. Zumal die Verfassungsrichter auch künftig in kleinstem Kreis ausgesucht werden. Ob der Vorschlag anschließend von 12 Abgeordneten oder von 631 abgenickt wird, macht so gesehen keinen großen Unterschied.

Auffällig ist allerdings der Zeitpunkt. Erst 2012 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Verfahren der Richterwahl zulässig ist. Die Wahl in kleinem Kreis schütze das Ansehen des Gerichts. Es gab also nie so wenig Grund, das Verfahren zu ändern, wie jetzt, wo alles geklärt ist. Denn wer jetzt das Verfahren ändert, will wohl ausdrücken, dass der Politik das Ansehen des Verfassungsgerichts nicht mehr so sehr am Herzen liegt.

Die Verfassungsrichter sollten diese kleine Gemeinheit einfach ignorieren.

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