Das Ende der Welt und das Ende des Films

KINO „La última película“ erzählt von einer Reise nach Yucatán am Vorabend der Apokalypse, von Hippies und John-Wayne-Imitatoren

Der Film „La última película“ von Raya Martin und Mark Peranson erzählt von einem Filmemacher, der mit seinem Reiseführer durch Yucatán reist. Am Vorabend der viel diskutierten Maya-Apokalypse möchte er seinen letzten Film machen, der zugleich auch der letzte Film der Menschheit wäre. Später beginnt der junge Filmemacher damit, einen psychedelischen Western zu drehen, und ganz am Ende entschließt er sich, im sonnigen Mexiko zu bleiben, um dort, bis zum Ende der Zeiten, sein Werk zu schneiden.

Hmm. Der Film ist beeinflusst von Dennis Hoppers „Last Movie“ und dem Film „The American Dreamer“, der vom Schneideprozess von „Last Movie“ erzählt. Außerdem spielt der berühmte Western „The Wild Bunch“ eine Rolle, wie das Internet weiß.

Oder: „La última película“ ist ein seltsamer, selbstreferenzieller Film, der auf die Hochphase des amerikanischen Independent-Films rekurriert und sich gewissermaßen ständig selber dekonstruiert.

In der ersten halben Stunde nervt einen zunächst dieser junge, gut aussehende Filmemacher sehr, wie er auf einem kleinen, leicht vermüllten Grundstück vor sich hin monologisiert bzw. mit seinem Reiseführer über „den letzten Film“ spricht und davon, dass er ihn nicht beenden möchte und dass der Film ihm selber sagt, wann er zu Ende ist, und dass es keine Zukunft gebe und dass wir den Gipfel des Bergs erreicht haben und es von nun an nur noch abwärtsgeht.

An einem Baum hängt ein Müllbeutel. Der Reiseführer (eine Castaneda-Parodie) sagt: „Lass uns zu den Ruinen gehen“, hier ist es langweilig, „die Touristen wissen immer, wohin man gehen soll.“ Der Filmemacher sinniert darüber, ob Zeit eher zyklisch oder doch zielgerichtet voranschreitet bzw. vergeht.

72 km Nervensystem

Mittlerweile macht der Film großen Spaß, vielleicht weil nun, im touristischen Gebiet, auch andere zu Wort kommen und ab und zu auch Ruhe ist. Ein Mann erklärt, Raum existiert, weil er in einem Atom ist und dass wir alle Atome sind und dass das Nervensystem 72 Kilometer lang ist. Und dass der Geist mit dem Kosmos verbunden ist, aber wir glauben es nicht.

Auf den Stufen des Maya-Bauwerks in Chichén Itzá sitzen schöne alte Frauen in der Sonne. Der Film wechselt ins 4:3-Format, und die Farben sind nun so 60er-Jahre-mäßig. Jemand erzählt von einem Mann namens Juan, der John Wayne ähnelte und auf dessen Anwesen aufpasste, wenn der berühmte Schauspieler nicht zu Haus war. Dieser Juan, ein komischer Typ, übernahm sozusagen das Leben John Waynes, ist aber leider vor zwei Jahren gestorben.

Eine Weile ist man mit dem Filmemacher und seinem Führer in einer Bar; alles sieht super aus, und am nächsten Morgen sind die beiden im Gefängnis. Und dazwischen fehlen manchmal Passagen. Mittlerweile gefällt mir der Film immer besser.

Am Tag des prognostizierten Weltuntergangs sieht man tausend New-Age-Hippies aus dem Westen, teils mit Weihnachtsmannmützen, meditieren, komische Geräusche machen oder Chakra-Reinigungen. Der Filmemacher lästert selbstironisch mit seinem Führer über die Hippies. Eine Weile steht das Bild auf dem Kopf und die Erde ist das Dach des Films, und das ist schön.

Im Fernseher erzählt der dänische Molekularkoch, dass er gerne Sachen kochen möchte, die auch den Mayas geschmeckt hätten.

In einem letzten Gespräch erklärt der Filmemacher, dass die Revolution darin liege, den Film zu zerstören und ein echtes Leben zu leben. Der See, an dem er sitzt, sieht rot aus.

DETLEF KUHLBRODT

■ „La última película“. Regie: Raya Martin, Mark Peranson. Mit Alex Ross Perry, Gabino Rodriguez. Kanada/Dänemark/Mexiko/ Philippinen, 88 Min.