Kinderpornografie ist anders

BGH-URTEIL Bilder von sexuellen Handlungen mit Kindern sind immer „degradierend“ und damit pornografisch

Die Definition von Pornografie muss sich am Schutzzweck des Delikts orientieren

KARLSRUHE taz | Kinderpornografie muss nicht „vergröbernd-reißerisch“ sein. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer jüngst veröffentlichten Grundsatzentscheidung geklärt. Pornografie mit Kindern wird damit anders definiert als Pornografie mit Erwachsenen.

Im konkreten Fall ging es um den ehemaligen Sexualtherapeuten und Astrologen Dr. N., der in den 90er Jahren als „Nacktläufer von Freiburg“ bekannt wurde. Das Freiburger Landgericht hatte ihn im Frühjahr 2013 wegen sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilt, weil er zur eigenen Stimulation das Glied eines ihm zur Betreuung anvertrauten Jungen massierte. Wegen anderer Tatvorwürfe wurde N. freigesprochen. In der Revision hob der BGH die Freisprüche auf. Die jetzt vorliegenden Begründung zeigt, dass es sich dabei – soweit es um kinderpornografische Darstellungen geht – um ein Grundsatzurteil handelt.

N. wurde der Besitz eines Fotos vorgeworfen, das ihn zeigt, wie er einem Jungen ans Genital fasst. Beide sind dabei nackt. Das Landgericht sah zwar einen offensichtlichen „sexuellen Bezug“, die Darstellung sei aber nicht pornografisch. N. wurde deshalb nicht wegen Besitz von Kinderpornografie verurteilt.

Wie der BGH jetzt entschied, hätte das Landgericht hier nicht die Definition von Erwachsenenpornografie zugrunde legen dürfen. Diese hat der BGH 1990 definiert als „vergröbernde Darstellung sexuellen Verhaltens, die den Menschen unter weitgehender Ausklammerung emotional-individualisierter Bezüge zum bloßen – auswechselbaren – Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung macht“.

Als Kinderpornografie müsse dagegen schon jede „realitätsbezogene Darstellungen sexueller Handlungen von, an oder vor Kindern“ gewertet werden. Ein „vergröbernd-reißerischer“ Charakter der Darstellung sei nicht erforderlich. Jede Darstellung von sexuellen Handlungen mit Kindern sei „degradierend“, da eine selbstbestimmte Mitwirkung von Kindern im rechtlichen Sinne nicht möglich ist.

Der BGH definierte dabei erstmals Kinderpornografie und wandte sich dabei gegen die herrschende Auffassung in der Rechtswissenschaft, die eine einheitliche Definition von Pornografie forderte. Die Richter aber entschieden, dass sich die Definition von Pornografie jeweils am Schutzzweck des Delikts orientieren müsse. Bei normaler Pornografie gehe es um den Schutz vor unerwünschter Konfrontation, während bei Kinderpornografie auch die Integrität der mitwirkenden Kinder geschützt werde. Straflos seien nur Darstellungen von sexuellen Handlungen von, an und vor Kindern, die „nicht überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abzielen“.

Möglicherweise muss nun auch der Ex-SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy wieder zittern, der sich Bilder nackter spielender Jungs besorgt hatte, die die Hannoveraner Staatsanwaltschaft im Grenzbereich zur Kinderpornografie sah. Ein Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) sieht vor, dass jedes unbefugte Anfertigen von Nacktbildern – mit Kindern und Erwachsenen – bestraft wird. Auch „bloßstellende“ Fotos sollen strafbar sein (Az.: 1 StR 485/13). CHRISTIAN RATH