Bürgerrechte ausgehebelt

GEFAHRENGEBIET 16 Betroffene von Polizeimaßnahmen in der Hamburger Sonderrechtszone klagen vor dem Verwaltungsgericht gegen die Grundrechtseingriffe

Die Hamburger Praxis, „Gefahrengebiete“ einzurichten, kommt ein zusätzliches Mal auf den Prüfstand: 16 Teilnehmer einer Spontandemonstration haben über ihre Anwälte vor dem Verwaltungsgericht Klage auf die Feststellung eingereicht, dass die Auflösung ihres Protestes im Gefahrengebiet am 5. Januar und die anschließende Ingewahrsamnahme rechtswidrig waren. Schon vor zwei Wochen hatte der hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar in einem Gutachten geschrieben, die Gefahrengebiete seien verfassungsrechtlich bedenklich und verstießen gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht.

Eine größere Gruppe von Menschen fand sich an jenem 5. Januar im Szenequartier „Schanze“ ein, um gegen das „Gefahrengebiet“ zu protestieren, das die Polizei am Tag zuvor wegen Attacken auf Polizeireviere großräumig eingerichtet hatte. In Gefahrengebieten können Polizisten verdachtsunabhängig kontrollieren und Taschen ohne Anhaltspunkte durchstöbern.

Nach wenigen Minuten versperrte die Polizei die Route. Mehr als 50 TeilnehmerInnen wurden eingekesselt. Die Polizei forderte sie auf, ihre Personalien feststellen zu lassen, weil sie sich im Gefahrengebiet befänden. Nachdem dies bei einigen geschehen war, wurden 44 Teilnehmer in Polizeigewahrsam genommen und teilweise mehr als vier Stunden festgehalten.

Mit der Klage begehrten 16 Betroffene „Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme“, erklärt Rechtsanwältin Ingrid Witte-Rohde. „Zum Einen stellt bereits die Verhinderung der Spontandemo eine grundrechtswidrige Beschneidung des Rechts auf Versammlungsfreiheit dar“, sagt ihr Kollege Andreas Beuth. Weder das Polizeigesetz (SOG) noch das im Hamburger Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei vorgesehene „Gefahrengebiet“ könnten pauschal das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit außer Kraft setzen, fügt Beuths Kollege Gerit Onken hinzu. Nach Auffassung der Anwälte ist die Ausweisung von „Gefahrengebieten“ verfassungswidrig.

Schon im Dezember 2012 hatte sich das Verwaltungsgericht mit den „Gefahrengebieten“ befasst. Über die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit musste das Gericht in dem Fall nicht entscheiden. Es gab die Begutachtung an das Oberverwaltungsgericht weiter.  KAI VON APPEN