Im Zweifel wird Deutschland einspringen

URTEIL Europäischer Gerichtshof zum Fall Kaveh P.: Flüchtlinge, die über Griechenland nach Deutschland kommen, erlangen mit ihrer Einreise nicht automatisch das Recht auf ein Asylverfahren

BERLIN taz | Flüchtlinge, die über Griechenland nach Deutschland kommen, haben nicht automatisch Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH). Wenn aber kein anderes Land zuständig ist, muss Deutschland den Asylantrag prüfen.

Ein Großteil der Flüchtlinge, die die EU erreichen, reist illegal in Griechenland ein. Deshalb wäre nach der sogenannten Dublin-II-Verordnung eigentlich Griechenland für die Durchführung dieser Asylverfahren zuständig. Schon 2011 hat der EuGH aber festgestellt, dass Griechenland derzeit völlig überfordert ist, ein rechtmäßiges Asylverfahren durchzuführen und Flüchtlinge angemessen zu versorgen. Deshalb dürfen Flüchtlinge, die in anderen EU-Staaten Asylanträge stellen, nicht mehr nach Griechenland zurückgeschickt werden.

Konkret ging es nun um den Iraner Kaveh P. der 2007 über Griechenland nach Europa einreiste. Vier Tage später stellte er in Deutschland, wo schon seine Familie lebte, einen Asylantrag. Damals wurde er in Haft genommen und nach Griechenland zurückgeschickt. Aber auf Intervention des Frankfurter Verwaltungsgerichts bekam er doch ein Asylverfahren in Deutschland.

Der EuGH musste jetzt entscheiden, ob ein aus Griechenland kommender Flüchtling auf jeden Fall Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland hat. Das verneinten die Richter in Luxemburg. Vielmehr müsse die Zuständigkeit für das Asylverfahren nach den allgemeinen Regeln der Dublin-Verordnung geprüft werden. Sie bestätigten damit die Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

Konkret heißt das: Wenn ein Flüchtling auf dem Weg von Griechenland nach Deutschland zum Beispiel schon in Italien Asyl beantragte, dann wäre Italien vorrangig für das Asylverfahren zuständig. Derartige Fälle dürften aber die Ausnahme sein. In der Regel wird Deutschland derartige Asylverfahren auch nach dem EuGH-Urteil selbst durchführen.

Für den Iraner Kaveh P. hat das Urteil keine Folgen mehr. Er ist in Deutschland längst als Flüchtling anerkannt. CHRISTIAN RATH