Computer sollen Gesetzestexte entwirren

ZUKUNFTSMUSIK Ein Projekt des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz will juristische Texte per Computer analysierbar machen. Fernziel: mehr Rechtssicherheit

Es klingt futuristisch, vielleicht sogar beängstigend: dass Computer unsere Sprache sprechen können. Wer je ein Übersetzungsprogramm benutzt hat, konnte sich bislang beruhigt zurücklehnen: Die Komplexität „natürlicher Sprache“ zu erfassen, ist offenbar dem menschlichen Geist vorbehalten. Allerdings: Der scheitert nicht selten an komplexen Texten, wie etwa Gesetzen. Von denen es inzwischen eine selbst für Fachleute kaum noch überschaubare Menge gibt. Hier setzt das Projekt „Lawcheck“ an, ein gemeinsames Forschungsvorhaben des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) und der gradient Systemintegration GmbH, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wird.

„Streng genommen arbeiten wir an einer Software, die Gesetzestexte halbautomatisch auf Konsistenz, also auf Widerspruchsfreiheit überprüfen kann“, erklärt Robert Wille, der von Seiten des DFKI das Projekt leitet. Dazu müssen die sehr langen und gelegentlich, so Wille, „kryptischen“ Gesetzestexte zunächst in eine eindeutige Form überführt werden. „Unser Ziel ist erst einmal, Widerspruchsfreiheit darzustellen, aber langfristig auch, Texte zu vereinfachen.“

Fürs Erste haben sich die Wissenschaftler für einen begrenzten Anwendungsbereich entschieden, nämlich die Gebührenordnung für Ärzte. „Davon haben wir schon einige Paragraphen automatisch übersetzt“, sagt Wille. „Es sieht also recht vielversprechend aus.“

Theoretisch könnten natürlich auch Menschen einen Gesetzeskorpus auf Widersprüche überprüfen. Allerdings sei das rein quantitativ kaum zu leisten: „Wenn der Gesetzgeber heute ein Gesetz verabschiedet, kann er kaum noch durch Lektüre nachvollziehen, ob es nicht im Widerspruch mit einem bereits bestehenden Paragraphen steht.“

Das soll eines Tages eine Software leisten, die einen Gesetzesentwurf mit allen schon geltenden Gesetzen abgleicht. Ein bisschen Expertise wird aber auch dann noch nötig sein, wenn das Projekt am Ende tatsächlich eine Software hervorbringt: „Es wird immer Texte geben, die nicht eindeutig formatisierbar sind“, schätzt Wille. „Sprache ist in hohem Maße nicht eindeutig. Mein Paradebeispiel ist der Satz: ,Ich sehe meinen Freund mit dem Fernglas‘. Daraus geht nicht eindeutig hervor, ob ich meinen Freund durch das Fernglas beobachte, oder ob ich meinen Freund sehe, der ein Fernglas bei sich hat. Deswegen haben wir uns für einen halbautomatischen Ansatz entschieden.“ Eine interaktive Schnittstelle befragt den Nutzer bei Doppeldeutigkeiten.

Nächster Schritt des Projekts ist die Widerspruchsanalyse. Mit deren Hilfe hofft Wille, dass eines Tages Gesetzentwürfe vor der Verabschiedung eine Widerspruchsprüfung durchlaufen – und sich damit „die Rechtssicherheit von Anfang an verbessert“.  ANDREAS SCHNELL